Wettbewerb um große Steuerzahler

Es ist kein Geheimnis. Niemand zahlt gerne Steuern. Auch wenn jeder anerkennt, dass Steuern für ein Land wichtig sind. Sie zahlen die Straßen, auf denen wir unsere Autos fahren, sorgen für eine funktionierende Infrastruktur, dafür, dass Feuerwehr und Polizei einsatzbereit sind, man auf dem Amt Dokumente erhält, die Lehrer und Schulen bezahlt und instand gehalten werden, dank Steuergelder kümmern wir uns um die Schwachen der Gesellschaft, und vieles mehr. Dass jede Verwaltung ab einer gewissen Größe auch Ineffizienzen aufweist, liegt in der Natur der Sache. Aber Steuern sind gesellschaftlich wichtig und notwendig. Die größten Steuerzahler sind – oder besser gesagt wären – globale Unternehmen. Und um diese entweder anzulocken oder zu halten herrscht ein internationaler Wettbewerb.

Folgt auf den Brexit das Steuer(s)paradies?

Im September 2018 kam von Theresa May, der Premierministerin von Großbritannien, das erstaunlich offene Statement: „Whatever your business, investing in a post-brexit Britain will give you the lowest rate of corporation tax in the G20.“ Das klingt sehr nach Steuerwettbewerb. Die Pläne im UK, die ohnehin bereits sehr moderate Gewerbesteuer von 20% bis 2020 auf 17% abzusenken, sind dabei nicht neu. May verwendet das Argument der niedrigsten Unternehmenssteuer unter den 20 größten Industrienationen nicht zum ersten Mal. Ob das ausreichend helfen wird, sowohl den Briten als auch den Unternehmen, ist trotzdem nicht gewiss. Denn zu groß ist der internationale Steuerwettbewerb, und die wirklich globalen Multinationalen der Unternehmenswelt bezahlen heute schon kaum Steuern.

Steuerwettbewerb ist nicht neu

Das Buhlen um große Unternehmen ist nicht neu. Ob Irland, die Niederlande oder Luxemburg, viele haben ihre Steuergesetze zumindest in Teilbereichen so angepasst, dass große Unternehmen hier Steuern sparen können. Im Idealfall werden gar keine Steuern fällig. In Luxemburg etwa entkommt man der Kapitalertragssteuer, wenn man über Spezialgesellschaften geht. In den Niederlanden werden ausländische Erträge aus Patenten nicht besteuert. Und in Irland konnte man bis vor wenigen Jahren sein Unternehmen schlicht doppelt in Irland sowie in einem steuerfreien Land wie Bermuda registrieren und damit der Steuer entgehen. Hinzu kommen diverse Inselstaaten, die gar keine Steuer von Unternehmen verlangen. Sie alle leben trotz entgangener Steuern nicht unbedingt schlecht.

Abgaben statt Steuern

Steuern müssen nicht immer so heißen, um einem Staat zu Einnahmen zu verhelfen. Auch Registrierungsgebühren und Lizenzabgaben können sich summieren. In Delaware etwa bezahlen Unternehmen jährlich eine sechsstellige Gebühr für die Eintragung im örtlichen Handelsregister, auf den Cayman Islands müssen die zwingend erforderlichen Direktoren aller Briefkastenfirmen jährliche Lizenzen lösen, und selbst die Löschung eines Direktors kostet dort Geld. Für große, multinationale Unternehmen sind das Peanuts, doch für die oft kleinen Länder oder Inseln sind es wichtige Einnahmen.

Hinzu kommt die Umwegrentabilität. Das Unternehmen beschäftigt Personal, das Einkommensteuer bezahlt, Güter konsumiert und mit seinen Ausgaben zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Die lokale Währung profitiert von einer stärkeren Nachfrage, die Attraktivität des Standorts lockt weitere Unternehmen an, und nach und nach werden vormals beinahe vergessene Städte wie Dublin zu internationalen Metropolen.

Die Zukunft?

Ob es den Ländern dieser Welt gelingen wird, dem Steuerwettbewerb einen Riegel vorzuschieben? Bestrebungen dazu gibt es schon lange, und viele, internationale Organisationen bemühen sich um Transparenz und faires Verhalten zwischen den Staaten und auf Seite der Unternehmen. Die Spieletheorie allerdings lässt an einem Erfolg zweifeln. Wenn es um Geld geht hört die Freundschaft auf, und meist auch die Zusammenarbeit. Niemand verzichtet freiwillig auf Einnahmen, und manche vor allem kleinere Länder haben auf Steuerwettbewerb und Intransparenz ihre Hauptexistenz aufgebaut. So wird es wohl auch in Zukunft für multinationale Unternehmen viele Möglichkeiten geben, ihre Steuern zu optimieren. Ob über Base Erosion, Profit Shifting, Tax Inversion, interne Unternehmenskredite, Transferpreise, Holding Gesellschaften und verschachtelte Strukturen, etliche Länder werden sich weiterhin bemühen, mit Kreativität oder Dreistheit im internationalen Standortwettbewerb zumindest auf der Steuerseite einen Vorteil zu verschaffen. Und bei den Unternehmen? Nun, Steueroptimierung im Sinne von Steuervermeidung ist gesellschaftlich geächtet und birgt ein gewisses Reputationsrisiko. Doch näher als der gute Ruf liegt den Unternehmen immer noch die eigene Bilanz und damit die Höhe der Gewinne und die Dividende für die Aktionäre. Und so wird sich der Kreislauf vorerst wohl weiter drehen.