Die sechs Rätsel der Makroökonomie (nach Obstfeld und Rogoff)
Rätsel 2: Das Feldstein-Horioka Rätsel, oder über das Fehlen internationaler Arbitrage
Dass Theorie und Praxis nicht immer übereinstimmen, weiß jeder, der schon einmal volkswirtschaftliche Literatur gelesen und sich danach die tatsächliche Welt angesehen hat. Eine dieser oft gelehrten Theorien besagt, dass Investoren in einer Welt mit freiem Kapitalfluss in Wertpapiere und Anlagen in genau jenem Land investieren, welches die höchste risikoadjustierte Rendite für das investierte Kapital abwirft. In dieses Land werden so lange Kapitalanlagen fließen, bis sich dort die Preise an die der anderen Länder angeglichen haben. Das theoretische Ergebnis eines weltumspannenden, freien Kapitalflusses sind weltweit gleiche Renditen für gleiches Risiko.
Dass diese Theorie nicht der Realität entspricht, darauf wiesen vor 35 Jahren bereits die Ökonomen Feldstein und Horioka hin. Sie untersuchten die Korrelation zwischen Investitionen am heimischen Kapitalmarkt und der Sparquote eines Landes. Diese sollten laut Theorie in weltweit liberalisierten Kapitalmärkten nicht korrelieren, denn das Ersparte sollte demnach in Länder fließen, die höhere Renditen für das gleiche Risiko bezahlten. Im Gegenzug wären Unternehmen und Banken nicht auf die heimischen Sparguthaben angewiesen, sondern könnten sich international Kapital für ihre Investitionen besorgen.
Entgegen der Theorie korrelieren die Sparquoten mit den Investitionen eines Landes sehr stark, was darauf hinweist, dass Kapital selbst in unserer liberalisierten Welt selten zum Investment mit der höchsten Rendite für gleiches Risiko fließt, sondern lieber zu Hause investiert wird.
Die Gründe dafür sind eng verknüpft mit dem ersten der sechs Rätsel der Makroökonomie, der Bevorzugung des Heimatmarktes. Feldstein und Horioka führen als Erklärungsansätze Steuernachteile, Transaktionsgebühren, Lagerkosten, Wechselkursrisiken, Informationsasymmetrien und regulatorische Risiken auf. Politische Risiken mögen zudem eine große Rolle spielen, man denke aktuell nur an Venezuela und Bolivien, wo es erst jüngst zu Enteignungen und Verstaatlichungen gekommen ist. Und selbst in Südafrika wird die Enteignung von Land im Zuge von Bodenreformen diskutiert.
Doch wie bereits im Fall der „Home Bias“ könnte auch hier die Investorenpsychologie mit eine Rolle spielen. Anlageentscheidungen werden nach wie vor hauptsächlich von Menschen getroffen. Computerbasierter Handel der High Frequency Händler wird daran so bald nichts ändern, denn die meisten Anlagen eignen sich nicht für die kurzfristigen Arbitragetrades der Hedge Fonds. Also gilt auch 35 Jahre nach der Veröffentlichung des Feldstein-Horioka Rätsels: Internationale Arbitrage und effiziente Kapitalmärkte haben noch Potenzial!