Blickt man auf die globalen Finanzmärkte, Börsenkapitalisierungen großer Unternehmen und die täglichen Umsatzzahlen an Börsen, Terminmärkten und im außerbörslichen Handel mit Währungen und Zinsderivaten, auf Kunstauktionen, Immobilienpreise und Umsätze mit Gold und anderen Edelmetallen, man denkt die Welt schwimmt in Geld und weiß nicht mehr wohin damit. Zu Beginn diesen Jahres betrug das Vermögen jedes Erdenbürgers im Schnitt 77.309 US-Dollar, nach Schätzungen von Analysten der Credit Suisse. Das weltweite Vermögen ist allein im Jahr 2019 um geschätzte 8,4% gewachsen.

Ungleiche Verteilung von Vermögen

Schon vor Corona war das weltweite Vermögen dabei ungleich verteilt. Der fiktive, durchschnittliche Weltbürger mag ein Vermögen von 77.309 US-Dollar besitzen. Der Nordamerikaner hat davon allerdings im Schnitt 446.638 US-Dollar, der Europäer 159.730 USD, in China sind es 70.962 USD, und der durchschnittliche Afrikaner hat nur noch 7.372 USD. Über 90% der Weltbevölkerung hat in ihrem Leben noch kein Flugzeug von innen gesehen. Laut Daten der Weltbank lebten im Jahr 2017 insgesamt 43,6% der Weltbevölkerung unter der Armutsgrenze von 5,50 US-Dollar am Tag, und 9,2% hatten weniger als 1,90 US-Dollar am Tag zur Verfügung. Die Weltbank schätzt, dass allein durch die Auswirkungen von Corona mindestens 71 Millionen weitere Menschen in diese extreme Armut von unter 1,90 US-Dollar geraten, weitere 176 Millionen Menschen unter die Grenze von 3,20 USD pro Tag und nochmal mindestens 177 Millionen Menschen unter 5,50 USD pro Tag. Laut dem „Global Hunger Index 2020“ sind aktuell mindestens 690 Millionen Menschen weltweit unterernährt. 144 Millionen Kinder haben Wachstumsstörungen aufgrund von Hunger, und 47 Millionen Kinder sind lebensbedrohlich unterernährt. Allein in 2018 verstarben 5,3 Millionen Kinder vor ihrem 5. Geburtstag, meist als Folge von Mangelernährung und Armut. Eine tägliche Tragödie. Armut und Hunger sind dabei häufig ländlich, weiblich oder minderjährig. Laut Weltbank lebt eines von sechs Kindern weltweit in extremer Armut, Tendenz steigend. Dass Reichtum nicht gleichmäßig verteilt ist, weder innerhalb eines Landes noch zwischen Ländern, ist nicht neu. Seit Anbeginn der Zeit kennen wir reiche Nationen, reiche Bevölkerungsgruppen und privilegierte Schichten, die als die sogenannten „1%“ den Großteil aller Vermögenswerte besitzt. Weltweit besaßen die reichsten 1% der Menschen im Jahr 2019 satte 43,4% des globalen Vermögens. Die unteren 54% der Weltbevölkerung verfügen hingegen nur über 1,4% des weltweiten Vermögenskuchens.

Die Situation der 99,9%

Nach den Weltkriegen wirkte die Lage tatsächlich etwas entspannter. Ein großer Teil der Weltbevölkerung konnte reale Verbesserungen der eigenen Lebensverhältnisse spüren. Ein gutes Rezept für sozialen Frieden. Doch mit der Finanzmarktkrise 2008 begann sich das Blatt zu drehen. Seither erleben wir ein schwaches, globales Wachstum, steigende Asset Preise, Quantitative Easing und Asset Purchase Programme großer Zentralbanken, die den bereits Vermögenden zuspielen. Die Waage von Vermögen und Verbesserung von Lebensqualität und Zukunftsaussichten ist schon länger zulasten der 99,9% in Bewegung. Corona gießt hier zusätzlich Öl ins Feuer. Wer daran Schuld trägt? Möglicherweise zu einem guten Teil der globale Finanzmarkt, in dem es Dank technischer und regulatorischer Entwicklungen immer einfacher wird, Geld in Form von Bits und Bytes in Rekordgeschwindigkeit quer über den Erdball zu schicken und der große Unternehmen, große Asset Manager, große Banken und große Vermögen bevorzugt.

Globale Kapitalströme und globale Assetmärkte

Die Verteilung von Vermögen und von Vermögenszuwachs hat direkte Auswirkungen auf die globalen Kapitalströme, und damit auch auf das weitere Wachstum und die weitere Entwicklung von Wohlstand, aber auch einzelner Assetklassen. Jemand, der gerade so viel verdient, um sich ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch zu leisten, wird kaum darüber nachdenken, wie er sein wenig Erspartes anlegen wird. Der heimische Banken- und Kapitalmarkt reicht dafür vollständig aus. Erst ab einer gewissen Unternehmens- und Vermögensgröße lohnt es sich für Finanzmarktakteure, international tätig zu werden und über die eigenen Landes- und Währungsgrenzen hinaus zu blicken. Die Dominanz des US-Dollar als weltweit wichtigste Handelswährung spielt dabei eine enorme Rolle. Die USA selbst bilden deshalb eine gewisse Ausnahme, wenn es um den Trend zur internationalen Geldanlage bei steigendem Vermögen geht. Doch nicht nur Handel und Geldanlage lohnen international ab einer gewissen Größe, auch grenzüberschreitende Steueroptimierung, regulatorische Arbitrage, Gewinnverschiebung und Steuerwettbewerb werden interessant. Globale Unternehmen werden vom Kapitalmarkt bevorzugt. Sie erhalten zu günstigen Konditionen Kredit und können ihre Wertpapiere verkaufen, wenn kleineren, nationalen Unternehmen schon längst der Geldhahn durch verschärfte Kreditvergaberichtlinien abgedreht wurde. Die internationalen Geldgeber, Aktionäre, Banken und Financiers lieben globale Großunternehmen, bevorzugt aus dem Technologiesektor. Koppeln wir diese Vorliebe mit der in Europa und den USA seit einem Jahrzehnt und in Japan bereits seit zwei Jahrzehnten andauernden Niedrigzinspolitik, in der sich große Unternehmen gleichgültig ob profitabel oder nicht zu billigsten Konditionen verschulden können, kann man sehen, dass genau das zur Schaffung von riesigen Zombie Unternehmen führt und zu einer Wettbewerbsverzerrung.

US-Dollar ungebremst wichtig aber knapp

Die internationalen Kapitalströme liefern uns noch eine weitere, wichtige Information: Die zentrale Rolle des US-Dollars. Ein Großteil der globalen Geschäfte in Währungs- und Zinsderivaten werden in US-Dollar gehandelt, Rohstoffe sowieso und Gold traditionell ebenfalls. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit etwa 75% aller Finanztransaktionen in US-Dollar abgewickelt werden. Funding und Assets in US-Dollar sind gefragt, und der Eurodollar-Markt, also US-Dollar, die außerhalb der USA gehandelt werden, bestimmt den Herzschlag der globalen Finanzströme. US-Dollar als globale Handelswährung ist ein Faktum, mit dem die Welt seit 60 Jahren lebt, und entsprechend steuert der US-Dollar auch den Fluss des internationalen Geld- und Kapitalstroms bedeutend mit. Der Eurodollar Markt ist der bei Weitem wichtigste Funding Markt der Welt. Dieser wichtige Fundingmarkt steckt aber seit der Finanzmarktkrise in 2008 in einer Dauerkrise, was dazu führt, dass die Welt außerhalb der USA an einem permanenten Mangel an US-Dollar leidet. Das wiederum ist schlecht für die Liquidität der globalen Wirtschaft. Banken außerhalb der USA verfügen über zu wenige Dollar, um sie freigiebig an jeden verteilen zu können, der ruft. Bevorzugt werden wieder nur die ganz Großen. Es kommt zu einem Ausbremsen des globalen Wachstums.

Global, liquide und möglichst sicher

Wer Vermögen besitzt wird nicht nur daran interessiert sein, es zu vermehren, sondern vor allem viel Energie und Kosten dafür aufwenden, das Vermögen zu erhalten. Die Veranlagung in möglichst liquide und stabile Vermögenswerte spielt dabei eine wichtige Rolle. Transparent, einfach verständlich und im Fall des Falles schnell zu stabilen Preisen veräußerliche Assets wie Aktien großer Unternehmen und Staatsanleihen bester Bonität, die in einer der Hauptwährungen, am liebsten in US-Dollar, denominiert sind, werden bevorzugt. Die Größe eines Marktes, die Stärke der Währung und politische Stabilität sind dabei ebenfalls Magnete für den Zufluss von Geld.

Immobilien, Gold und Kunst

Neben Aktien und AAA-gerateten Staatsanleihen spielen Immobilien in bester Lage, sowie Gold und Kunst eine zunehmend bedeutende Rolle. Die Weltbevölkerung wächst, und damit auch der Zuwachs der urbanen Bevölkerung, die ihrerseits wieder Wohnraum und Büroflächen benötigt, und Grundstücke und Immobilien in Top Lagen zu gewinnversprechenden Anlagen macht. Neben teuren Immobilien steht auch Gold auf der Einkaufsliste der 1%. Weltweit akzeptiert und ein traditioneller Safe Haven, dazu vergleichsweise anonym und unauffällig zu transportieren, war Gold schon immer eine beliebte Form, Vermögen zumindest vorübergehend zu speichern. Mit Kunst verhält es sich ähnlich. Wichtige Werke großer Künstler behalten auch langfristig ihren Wert, sie sind häufig einfach zu transportieren und zusammen mit Gold und teuren Immobilien auch noch Prestigeobjekte.

Kapitalzufluss schafft eine Eigendynamik

Die Präferenzen für Kapitalanlagen der 1%, die wie bereits erwähnt 43% des weltweiten Vermögens verwalten, birgt die Gefahr einer Eigendynamik. Sie legen ihr Vermögen in einer Reihe ausgewählter Märkte an. Die Preise steigen und locken weitere Investoren an, die an steigenden Preisen partizipieren möchten. Was die 1% mit ihrem großen Vermögen und dessen Erträgen nicht machen ist eine Steigerung ihres Konsums. Doch genau Konsum wäre das, was Unternehmen jeder Größe von klein bis groß Umsatz und damit Gewinn bringt, und das wiederum brächte Wirtschaftswachstum in Form von mehr Beschäftigung, höheren Löhnen, noch mehr Konsum und so fort. Stattdessen wird das erwirtschaftete Geld aus Dividenden, Zinsen, Mieteinnahmen und Assetverkäufen in weitere Kapitalanlagen gesteckt, deren Preise weiter steigen. Es entsteht eine Eigendynamik an vielen Assetmärkten, doch das Wirtschaftswachstum bleibt gleichzeitig auf der Strecke. Die Spirale dreht sich immer weiter. Die Politik verlässt sich auf die großen Zentralbanken. Doch der Weg von FED, EZB und BOJ führt nachweislich nicht zum Erfolg, sondern in die Irre. Wachstum für die 99,9% kommt damit nicht zustande. Wohl aber eine beschleunigte Umverteilung von Vermögen zugunsten des Kapitals und damit jener, deren größte Sorge auch jetzt schon ist: Wohin bloß mit dem vielen Geld?