Gender Smart Investing oder auch Gender Lens Investing ist mehr als nur eine Investmentstrategie. Es geht nicht nur um die Auswahl bestimmter Investitionen, die Kriterien wie Gleichberechtigung und Frauen im Management entsprechen. Gender Smart Investing verfolgt das Ziel, bereits beim Asset Manager Strukturen zu schaffen, die dafür sorgen, dass in allen relevanten Teams die Entscheidungen gleichermaßen von Männern und Frauen getroffen werden.
Bessere Entscheidungen durch ausgeglichene Teams
Durch ausgeglichene Teams werden nachhaltig bessere Entscheidungen getroffen. Die Zufriedenheit in den Teams steigt, die Qualität der Arbeit ist höher und das Unternehmen erzielt nachhaltig und langfristig bessere risikoadjustierte Ergebnisse. Die Voraussetzung für Gender Lens Investing ist dabei, dass in allen Teams ausgeglichene Machtstrukturen herrschen müssen, um dieses ideale Gleichgewicht zu erreichen, und zwar in allen Teams begonnen von der Produktentwicklung, der Programmierung von Algorithmen, dem Marketing bis hin zum Investment Komitee und der Geschäftsführung des Asset Managers. Auf diese Weise werden bessere Produkte entwickelt, Risiken und Chancen umfassender bewertet und Services geschaffen, die sowohl männliche als auch weibliche Kunden erfolgreich ansprechen. Gerade in der Finanzindustrie, die nachweislich an zu wenigen geeigneten Angeboten für Frauen und diskriminierenden Algorithmen leidet, bieten sich durch den Ansatz des Gender Lens Investings attraktive Geschäftsmöglichkeiten.
Kritik am Gender Lens Ansatz
Wie bei allen Investment und Management Stilen hagelt es auch beim Gender Lens Gedanken jede Menge Kritik, sogar mehr als bei anderen Ansätzen. Das sollte nicht überraschen, schließlich ist das Thema Gleichberechtigung von Frauen seit jeher eine sehr emotional geführte Diskussion voll Vorurteilen, Pauschalaussagen, Ängsten und Emotionen. Dennoch lohnt es für Asset Manager, sich der Idee des Gender Lens Investings zu öffnen. Auf einige häufige Kritikpunkte möchte ich hier eingehen, um zu zeigen, wie wichtig ein richtig eingesetzter Gender Smart Finance Ansatz ist.
Kritik 1: Frauen können doch ihre eigenen Unternehmen gründen, wenn sie mit den traditionellen Unternehmen nicht zufrieden sind
Eine ausgesprochen gute Idee, wäre da nicht der kleine aber feine Haken, dass eine Unternehmensgründung Kapital benötigt. Leider ist es nach wie vor so, dass Frauen bei der Kreditvergabe und bei Funding Runden im Private Equity Segment systematisch benachteiligt werden. Banken stützen sich in ihrer Kreditvergabe auf historische Daten, zum Nachteil von Frauen. Und immer mehr Darlehensentscheidungen und Kreditrahmenentscheidungen werden von Algorithmen getroffen, die nachweislich zum Nachteil von Frauen entscheiden. Wird der exakt gleiche Antrag eingereicht, erhält die Frau häufig weniger oder gar kein Geld als ein vergleichbarer, männlicher Antragsteller. Eines der besten Beispiele der näheren Vergangenheit ist die von Goldman Sachs betriebene Apple Card. Vielleicht wird es in Zukunft in einer Welt, in der die Gleichberechtigung der Geschlechter auch Wirklichkeit ist, nicht mehr nachteilig sein, als Frau eine Finanzierung zu beantragen.
Kritik 2: Es kommt sowieso nicht auf das Geschlecht an, sondern nur auf die Persönlichkeit. Nur das Geschlecht zu betrachten ist zu oberflächlich.
Absolut, so sollte es sein! Die Realität sieht freilich anders aus. Käme es bei der Auswahl von Mitarbeitern nur auf deren Qualifikation und Persönlichkeit an, warum um alles in der Welt sind Frauen dann nach wie vor in vielen Branchen, Positionen und Managementebenen dermaßen dramatisch unterrepräsentiert und werden zudem schlechter bezahlt? Käme es wirklich nur auf die Persönlichkeit an, wären dann nicht Frauen, Minderheiten, Ausländer, Behinderte, etc. deutlich stärker vertreten in entscheidenden Gremien aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik? Gerade deshalb braucht es eine Diskussion und eine Selbstanalyse des einzelnen Unternehmens zu den vorhandenen Machtstrukturen und möglicherweise völlig unbeabsichtigten Vorurteilen.
Kritik 3: Man kann doch nicht alle Frauen in einen Topf werfen, die sind alle unterschiedlich und mal mehr oder weniger geeignet
Selbstverständlich ist jeder Mensch auf dieser Welt einzigartig. Das soll im Gender Lens Ansatz auch gar nicht abgestritten werden. Denn auch beim Gender Smart Management werden Teammitglieder nicht einfach nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, sondern aufgrund solider, fundamentaler Kriterien wie Ausbildung, Hintergrund, Erfahrung und Einstellung. Die Vielfalt im Team (engl. „Diversity“) ist dabei ebenso wichtig wie gemeinsame Werte und harmonierende Persönlichkeiten. Auch im Gender Lens Investing arbeiten wir mit Menschen, und dass die Arbeit mit Menschen generell nicht immer einfach ist, das weiß jeder Manager nur zu gut. Das Team wird trotzdem von einem ausgeglichenen Verhältnis von Männern und Frauen profitieren, und zwar dann, wenn beide mit gleichen Macht- und Entscheidungsbefugnissen zusammen arbeiten.
Kritik 4: Unser Unternehmen findet einfach nicht genügend weibliche Kandidatinnen, die geeignet wären
Laut einer Studie der OECD sind Frauen im Schnitt heute sogar höher gebildet als Männer. An der Qualifikation kann es also nicht liegen. Möglicherweise suchen diese Unternehmen nicht gründlich genug, oder sie setzen auf alte Männernetzwerke, in denen Frauen selten empfohlen werden. Das gilt auch für Veranstaltungen der Finanzindustrie, in deren Panels immer noch hauptsächlich Männer zu finden sind. Es gibt genügend Frauen, die wunderbar qualifiziert und motiviert sind. Findet ein Unternehmen keine geeigneten Kandidatinnen, mag es womöglich auch an der fehlenden Attraktivität des Unternehmens selbst liegen, mit veralteten Arbeits- und Karrieremodellen und zu wenig Flexibilität, um für qualifizierte Frauen interessant zu sein. Mehr Gender Balance im Unternehmen könnte diesen Missstand im Nu beheben!
Kritik 5: Das ist doch Diskriminierung gegen Männer!
Beim Gender Lens Investing geht es nicht um Frauen. Schließlich heißt der Ansatz nicht Women Lens sondern Gender Lens Investing. Gender Smart Management diskriminiert gegenüber niemandem. Wohl aber fällt die häufig noch gelebte Bevorzugung von Männern weg. Am Ende sollte Gender Lens Investing einen positiven Effekt auf Frauen und Männer haben, durch bessere Teams, bessere Leistung, mehr Motivation und ein erfolgreicheres Unternehmen, in dem dadurch langfristig mehr und bessere Arbeitsplätze geschaffen werden.
Kritik 6: Die Veränderung kommt automatisch. Die Jungen denken schon ganz anders, da brauchen wir keinen eigenen Ansatz.
Das dachten die Leute schon in den 1960er Jahren, also vor 60 Jahren! Von alleine ändert sich die Situation leider nicht. Es bedarf der Unterstützung von oben, durch das obere Management und die Unternehmensführung, die hier mit gutem Beispiel voran geht und den Gender Lens Gedanken voran bringt.
Kritik 7: Es funktioniert doch auch so ganz gut in unserem Unternehmen, warum etwas ändern?
Läuft wirklich alles so optimal? Kommen die Produkte wirklich so gut an wie sie sollten, und sind die Mitarbeiter tatsächlich so zufrieden wie Sie denken? Menschen sind robuste und widerstandsfähige Geschöpfe. Sie gewöhnen sich in vielen Fällen an schlechte Bedingungen und Situationen. Außerdem sind wir bequem, und jede Änderung ist anstrengend und riskant. Das sollte aber kein Grund für Sie als Manager sein, die Dinge nicht besser machen zu wollen. Es geht um ein langfristig stabiles Unternehmen mit langfristig erfolgreichen Produkten und einer nachhaltigen Profitabilität. Das erreichen Sie leichter mit motivierten und zufriedenen Mitarbeitern und einer produktiven Unternehmenskultur. Gender Smart Management wird Sie dabei mit Sicherheit überraschend positiv unterstützen.
Gender Smart Investing bietet eine Chance
Sie werden auch mit Gender Smart Investing nicht alle Probleme lösen, denen Ihr Unternehmen ausgesetzt ist. Sie arbeiten weiterhin mit Menschen und für Menschen in einem von Menschen geschaffenen, sozialen Rahmen. Was Sie mit Gender Smart Management und Gender Lens Investing erreichen werden, ist eine deutliche Verbesserung zum Status Quo. Gender Lens Investing steht für bessere Ergebnisse, passendere Produkte, zufriedenere Teams und nachhaltigere Entscheidungen.