Italien fordert sie am lautesten: Eurobonds, gemeinsame Staatsanleihen aller Eurostaaten, für die alle gemeinsam bürgen. Deutschland, Österreich und die Niederlande sind am entschiedensten dagegen. Frankreich wiederum dafür, schließlich haben Frankreichs Banken viele italienische Staatsanleihen auf den Büchern und Kredite an italienische Unternehmen vergeben. Es ist eine emotionale Diskussion, die sich abspielt, in der es mehr um Politik, Emotionen und Stimmungsmache geht, als um ökonomische Überlegungen.

Gemeinsame Anleihen machen ökonomisch Sinn

Die Frage, ob Eurobonds ökonomisch gesehen gut wären in der aktuellen Corona-Krise, ist leicht beantwortet: Absolut! Sie sind wahrscheinlich die einzige Rettung für das Europa und für den Euro, wie wir sie bisher kannten. Italien schreit nicht umsonst am lautesten nach Anleihen, für die Deutschland gerade stehen muss. Schließlich war Italien schon vor der Krise, in die sich die Welt durch Abschottung und staatlich verordneten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stillstand gesteuert hat, ein Krisenland, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Italien den Bankrott erklärt. Zu lange konnte sich Italien auch Dank der EZB zu günstigsten Konditionen grenzenlos verschulden. Die EZB war stets bereit, die neuen Anleihen aufzukaufen, ungeachtet des im Verhältnis zum Risiko viel zu niedrigen Zinssatzes. Die Antwort auf die Frage, ob Eurobonds politisch durchzusetzen sind: Wahrscheinlich nicht.

Ungleiche Nachbarn

Die Reaktion von Deutschland, Österreich und den Niederlanden ist in gewisser Weise verständlich. Man kann es vergleichen mit der Situation zweier Nachbarn. Der eine Nachbar lebte sparsam und wirtschaftlich verantwortungsvoll. Der andere Nachbar nahm es damit nicht so genau, konnte mit Geld und wirtschaftlichen Entscheidungen einfach nicht so gut umgehen, und leistete sich diesen und jenen Luxus. Kaum hatte er Geld, gab er es schon wieder aus. Er leistete sich auch Dinge, die nicht unbedingt hätten sein müssen. Seit Jahren fehlte hier und da das Geld, aber irgendwie klappte es dann doch immer mit neuen Krediten. Doch dann kamen unerwartet schwere Zeiten und der verantwortungslose Nachbar geriet in Not. Er forderte nun ganz selbstverständlich, dass ihm sein Nachbar etwas von seinen Ersparnissen abgab, seine Ausgaben übernahm und ihm auch noch die Kredite bezahlte. Die Putzfrau, den Gärtner und den Sekretär wollte er trotzdem behalten, und auch sonst sein Leben nicht ändern. Der sparsame Nachbar lachte ihn aus und wollte nicht zahlen, schließlich war er überzeugt, dass sich sein Nachbar nicht bessern würde und das Geld verschwenden würde wie bisher. Der in Not geratene Nachbar aber sah die Sache anders. Er war zornig über den Hochmut des sparsamen Nachbarn und fand, dass ihm das Geld des anderen zustand. Er verlangte nach seinem Recht. Sonst würde er die ganze Nachbarschaft mit ins Verderben stürzen.

Eine Frage von Stolz und Wählerstimmen?

Wie wird es weitergehen? Werden sich die Staaten des Euro auf eine gemeinsame Linie einigen? Es ist eine sehr politische Sache, in der sich Regierungen gegenseitig die Schuld an der Misere geben. Jeder versucht dabei, in seinem Standpunkt stark zu sein, um bei seinen Wählern zu punkten. Wie es am Ende ausgeht? Wirtschaftlich gesehen machen Eurobonds derzeit Sinn, als Dauerlösung sind sie ohne gemeinsame, europäische Wirtschaftspolitik nicht geeignet. Reformen in Italien machen ebenfalls Sinn, aber das ist nichts Neues. Ohne Zugeständnisse Italiens und der Abgabe von Kompetenzen an die EU werden die anderen EU-Staaten der Haftungsübernahme kaum zustimmen. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Stolz und Ehre in den Ruin führen. Der Ruin Italiens aber hat durchaus das Potenzial, auch andere mit zu reißen.