In nur wenigen Jahren hat sich die Fixed Income Welt dramatisch verändert. Binnen eines Jahrzehnts hat sich die Entwicklung von einer einzigen Diskontkurve hin zu mindestens zwei – der Libor und der Overnight Kurve – heute hin zu einer schwindelerregenden Vielzahl unterschiedlichster Basis- und Diskontkurven vollzogen. Und das in einem Marktsegment, das sich traditionell mit ausgesprochen langfristigen Laufzeiten und Produkten befasst.
Unübersichtliche Kurven-Vielfalt
Mittlerweile ist es selbst für Marktexperten unübersichtlich geworden. Zinskurven sind zum komplexen Problem geworden. Jeder Anbieter und jede Investmentbank pflegt heute nicht nur für jeden Index wie Euribor, Libor, Eonia, OIS und Co eine Vielzahl an Kurven in ihre Systeme ein, sondern gleichzeitig auch für alle wichtigen Zinsindizes in anderen Währungen. Die Bezeichnung Basiskurve, die vor wenigen Jahren noch die Differenz zwischen Euribor und Eonia meinte, hat heute eine deutlich umfassendere Bedeutung.
Zentrales Clearing von Zinsswaps erhöht die Kurvenzahl dramatisch
Großes Kopfzerbrechen bereitet vielen Marktteilnehmern das zentrale Clearing von Zinsswaps, das heute beinahe überall auf der Welt gesetzlich vorgeschrieben ist. Für das Clearing ist eine exakte Berechnung der Barwerte der abzuwickelnden Swaps ausgesprochen wichtig. Dafür ist selbstverständlich die entsprechende Diskont-Zinskurve relevant. Und jetzt wird es kompliziert. Denn jedes Clearing-House verwendet für die Abwicklung seine eigenen Diskontkurven. Wird also ein Swap mit exakt identen Handels- und Produktmerkmalen in London gecleared, geschieht das mit anderen Kurven als etwa in New York oder Chicago. Mit jedem neuen Clearing-House multipliziert sich die Zahl der ohnehin schon unübersichtlich vielen Kurven nochmal. Das liegt daran, dass die zentralen Clearing-Stellen ihre Kurven meist aus einer Kombination aus den ihnen gemeldeten Geschäften und Marktdaten rückrechnen, und sich die Trades entsprechend unterscheiden.
Kurvenpflege wird zur Herausforderung
Es geht nicht nur um die korrekte und übersichtliche Darstellung aller notwendigen Zinskurven, sondern selbstverständlich auch um deren Aktualisierung und Pflege. Nicht alle Quellen sind gleich gut, und hinzu kommt, dass manche Anbieter und Börsen ihre Kurven auf unterschiedlicher Grundlage berechnen und anbieten. Da gibt es Trade basierte Kurven, solche auf Broker- und Marktquotes, andere wiederum verwenden nur End-of-Day Daten oder aktualisieren live. Und das jeweils für jeden Index und Subindex, jede Laufzeit, jede Währung und neuerdings eben auch für jeden Clearer. Das stellt selbst große Häuser mit einer guten Infrastruktur vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Hinzu kommt die Vernetzung aller Kurven – und es kommen laufend neue hinzu – hin in alle Handels- und Abwicklungssysteme sowie in die Risiko- und Controllingsoftware.
Korrekte Kurven für eine korrekte Bewertung
Zinskurven auf die leichte Schulter zu nehmen kann teuer werden. Denn bereits eine kleine Abweichung zur richtigen Kurve kann die Bewertung von Fixed Income Produkten wie Swaps, Bonds und Schuldscheindarlehen stark beeinflussen. Das liegt einerseits an den langen Laufzeiten – desto länger die Laufzeit desto größer die Abweichung – als auch an den hohen Nominalbeträgen. Im Plain Vanilla Zinsbereich geht es um hohe Beträge und enge Margen. Da gibt es keinen Raum für Bewertungsfehler oder Ungenauigkeiten.
Kein Ende der Kurvenflut in Sicht
Die Anzahl der im Markt verwendeten Zinskurven wird sich auf absehbare Zeit eher erhöhen als reduzieren. Der Übergang von Libor auf SOFR und Euribor und Eonia auf ESTER für neue Fixed Income Trades wird die Anzahl der Kurven nochmals erhöhen. Schließlich werden für bestehende Legacy Trades weiterhin alle bisherigen Kurven berechnet werden, und für neue Trades und neue Collateral Vereinbarungen noch zusätzlich die neuen Repo Kurven. Die Herausforderungen an die Daten-Infrastruktur der Marktteilnehmer wird also bestehen bleiben.