BahlConsult GmbH: Ihre Spezialisten für die unabhängige Bewertung und Analyse Ihrer Swaps, Derivate und strukturierten AnleihenDie Euribor und Eonia Sätze sind nun bereits seit geraumer Zeit negativ. Und selbst die Sätze für kurze Swaplaufzeiten liegen im negativen Bereich. Das stellt unter anderem die Welt der Zinsswaps komplett auf den Kopf.

In allen Lehrbüchern und Beschreibungen von ganz gewöhnlichen Fix-Floating-Zinsswaps lernen wir, dass ein Swap aus einer fixen und einer variablen Seite besteht. Der Swap wird zwischen zwei Parteien – meist sind dies zwei Banken oder eine Bank und ein Unternehmen – abgeschlossen. Eine der beiden Parteien zahlt den fixen Zinssatz und erhält dagegen den variablen Satz (der sogenannte Zahler im Swap). Die andere Partei erhält den fixen Zinssatz und zahlt dafür den variablen Satz (der sogenannte Empfänger im Swap). All das geschieht für eine vorher vereinbarte Laufzeit und berechnet sich auf einen zu Beginn festgelegten Nominalbetrag in der entsprechenden Währung. So weit so gut. Was aber, wenn der variable Satz plötzlich negativ ist? Eine Sache, die früher niemand für möglich gehalten hätte.

Die negativen, variablen Referenzsätze führen aktuell zu einer etwas absurd anmutenden Situation. Anstatt eine Seite zu zahlen und dagegen die andere Seite zu empfangen, müssen die Zahler im Swap plötzlich auf beiden Seiten zahlen und erhalten dagegen nichts. Schließt also aktuell jemand einen Zinsswap mit 5 Jahren Laufzeit als Zahler im Swap ab, so zahlt er auf der fixen Seite an seinen Swapkontrahenten 0,249%. Auf der variablen Seite, wenn der Swap gegen den 6-Monats-Euribor läuft, sollte er diesen empfangen. Da der 6-Monats-Euribor aber bei -0,03% liegt, muss der Zahler im Swap auch auf dieser Seite bezahlen! Anstatt also – wie in der guten alten früheren noch heilen Welt – eine Seite zu zahlen und die andere zu empfangen, endet der Zahler im Swap als Zahler auf beiden Seiten.

Noch verrückter wird es zum Beispeil bei einem Swap mit zwei Jahren Laufzeit. Der 2-Jahres Swap Satz ist aktuell bei -0,032%, also negativ. Wenn jetzt jemand einen Swap mit zwei Jahren Laufzeit als Zahler abschließt, so wird der Zahler praktisch zum Empfänger und umgehkehrt. Anstatt den fixen Satz zu zahlen und den variablen Satz zu empfangen, empfängt der Zahler auf der fixen Seite und muss auf der variablen Seite zahlen. Zumindest so lange, wie der Euribor ebenfalls im negativen Bereich fixt. Eine verkehrte Welt.

Was wäre die Alternative? Man könnte natürlich auf beiden Seiten eine Zinsuntergrenze (Floor) von Null einziehen. Durch den Floor wird der Plain Vanilla Swap dann allerdings zum Swap mit Optionskomponente. Das können viele kleinere Banken, Unternehmen und Kommunen weder in ihren Systemen abbilden, geschweige denn korrekt bewerten. Denn für die Bewertung von Optionsstrikes von Null oder negativen Strikes fehlt es den meisten Systemen an den korrekten Bewertungsmodellen. Mit dem herkömmlichen Black Scholes Optionspreismodell können negative Strikes nämlich nicht bewertet werden. Dazu aber im nächsten Blog genauer.

Da diese Floors aktuell verhältnismäßig schwer zu bewerten sind, steigen auch die Kosten für den Abschluss. Folge ist, dass sich der Floor bei Null nicht mehr rechnet. Denn die Kosten würden in der Regel auf den Fixsatz aufgeschlagen, und dieser würde dann entsprechend hoch werden. Also nehmen die meisten Swapkontrahenten auf der Zahlerseite die Sache einfach als gegeben hin und finden sich damit ab, dass sie aktuell auf beiden Seite zahlen müssen. Vielleicht hofft auch der ein oder andere, dass sich die Euribor Sätze irgendwann wieder in den positiven Bereich zurück bewegen. So schnell dürfte das allerdings nicht der Fall sein.

Ein weiteres Problem mit dem Floor auf der variablen Seite stellt das zentrale Clearing von Zinsswaps dar, das ab Mitte 2016 gemäß EMIR für alle Swaps zwingend wird und in den USA schon seit 2013 Pflicht ist. Allerdings können die Clearingstellen wie SwapClear derzeit Swaps mit Optionalitäten nicht abbilden und damit auch nicht clearen. Das könnte also für die Swappartner zusätzliche Kosten für eine bilaterale Abwicklung verursachen.

Die Swapwelt steht Kopf. Plus wird plötzlich zu Minus, der Zahler zum Empfänger, der Empfänger zum Zahler, und gängige Bewertungsmodelle und Systeme geraten an ihre Grenzen oder werden unbrauchbar. Wer gedacht hat, die Welt der Zinsswaps würde durch die Regulierung und das Desaster mit vielen Zinsstrukturen in der Vergangenheit plötzlich eintönig und langweilig werden, musste sich mittlerweile eines Besseren belehren lassen. Die Welt der Zinsswaps ist heute spannender denn je, stellt die Marktteilnehmer vor völlig neue Herausforderungen und erfordert auch heute noch komplexe und flexible Denkmuster und quantitative Modelle.