In Frankreich gehen die Gemüter hoch. Autofahrer stöhnen schon lange unter den ständig steigenden Mautgebühren auf ihren Autobahnen. Die Franzosen zahlen immerhin Maut für 9.048km ihres 11.882km umfassenden Autobahnnetzes, und das an 19 private Betreibergesellschaften.
Nun haben in Frankreich auch mehrere Berichte dem subjektiven Gefühl der Autofahrer Recht gegeben und es mit Zahlen hinterlegt. Unter anderem haben der französische Rechnungshof, die Behörde für Wettbewerb sowie die private Agentur Terra Nova bestätigt, dass die Gebühren auf den privat betriebenen Autobahnen viel zu hoch und dem Risiko der Betreiber nicht angemessen sind.
Frankreich hatte sich 2005 dazu entschieden, große Teile seines Autobahnnetzes an private Betreiber zu vergeben. Seit 2006 betreiben 19 private Gesellschaften fast das gesamte Autobahnnetz. Für einen Gegenwert von 15 Milliarden Euro plus einer Schuldenübernahme von weiteren 30 Milliarden Euro hat der Staat den Betreibern die Autobahnen damals überlassen, inklusive Instandhaltungsverpflichtungen aber auch der Mauthoheit. Erst zwischen 2027 und 2033 enden die Verträge. Bis dahin berappen die französischen Autobahnnutzer jährlich viele Milliarden Euro an Gebühren. Die Renditen der Gesellschaften sind entsprechend stattlich. Im Jahr 2013 lagen diese beispielsweise zwischen 20% und 24%. Ein gutes Geschäft, zumindest für die Betreiber.
Das Thema der Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) wird aber nicht nur in Frankreich kontrovers diskutiert, sondern erregt auch in Deutschland und Österreich die Gemüter. Von den Verfechtern der ÖPP wird angeführt, dass die öffentliche Hand durch ÖPPs finanziell durch Banken und Großinvestoren entlastet wird. Zudem haben private Betreiber mehr Interesse daran, schneller und kosteneffizienter zu bauen. Was das Projekt allerdings für die öffentliche Hand langfristig nicht unbedingt billiger machen muss.
Dabei ist das Autobahnnetz in Frankreich kein Einzelfall. In vielen Staaten werden Infrastrukturprojekte, öffentliche Gebäude, Schulgebäude, Stadtwerke für die Wasserversorgung, öffentliche Verkehrsnetze und vieles mehr zum Bau, der Sanierung und dem Betrieb an private Investoren vergeben. Öffentlich-Private-Partnerschaften werden immer wieder von Lobbyorganisationen als Win-Win-Idee angepriesen. Tatsächlich profitieren aber langfristig vor allem die Investoren. Das hat in Deutschland auch der Bundesrechnungshof festgestellt. ÖPP Projekte sind auf die gesamte Projektlaufzeit gerechnet für die öffentliche Hand teurer als eine direkte Finanzierung. Das ist natürlich naheliegend, schließlich wollen und müssen private Investoren auch Gewinne machen.
Politiker, deren Planungshorizont bekanntlich oft nur bis zur nächsten Wahl tendiert, und selten die nächsten 30 Jahre oder mehr im Blick haben, stört das Argument der Rechnungshöfe meist wenig. Kurzfristig sparen die öffentlichen Haushalte. Die Projektkosten werden nicht als Schulden bilanziert, und Mietzahlungen für Gebäude, die über ÖPPs erbaut wurden, sind bloß laufende Kosten. Zudem muss sich die Politik nicht mit Baukosten und Bauverzögerungen befassen, und möglicherweise wird von privatwirtschaftlich geführten Unternehmen tatsächlich effizienter und mit mehr Expertise gearbeitet.
Vor allem aber für private Investoren sind ÖPPs verlockend. Sie versprechen einen hohen Ertrag bei geringem Risiko. Schließlich garantiert die öffentliche Hand im Hintergrund Mieteinnahmen oder Gebühren, oder man kauft sich mit der Infrastruktur ein quasi-Monopol.
Hier ein einfaches Beispiel. Angenommen, Sie wären ein Bauunternehmer. In Ihrer Stadt muss ein neues Rathaus her, dazu noch eine Schule. Die jetzigen Gebäude sind marode und müssen neu gebaut werden. Die Stadt hat wie üblich kein Geld, sie pfeift sozusagen aus dem letzten Loch. Also bieten Sie an, die zwei Gebäude zu bauen und danach für die nächsten 30 Jahre an die Stadt zu vermieten. Schnell finden Sie noch ein paar weitere Unternehmer, die mit einsteigen, und Sie gewinnen die Ausschreibung. Sie haben dabei gut kalkuliert. Die Baukosten bekommen Sie sehr günstig finanziert, schließlich haben Sie die Mietgarantie der Stadt, und eine große Bank sitzt mit in Ihrem Konsortium. Damit sich die Sache auch für Sie persönlich und Ihre Unternehmerfreunde lohnt, gründen Sie gleich eine Reihe von Gesellschaften: Ein Baukonsortium, eine Immobiliengesellschaft, eine Dienstleistungsgesellschaft und eine Holding. Sie und Ihre Partner sitzen überall schön im Vorstand und Aufsichtsrat, bei fetten Bezügen wohlgemerkt. Die vier Gesellschaften wollen alle verwaltet werden. Dazu mieten Sie für alle ein schönes, teures Gebäude an, das einer anderen Immobiliengesellschaft gehört, an der Sie beteiligt sind. Alle Gesellschaften sollen Gewinne abwerfen. Das tun sie auch. Denn die Miete für das neue Rathaus und die neue Schule werden entsprechend hoch festgesetzt. Sie freuen sich und können sich die nächsten 30 Jahre entspannt zurück lehnen. Nach 30 Jahren endet der Mietvertrag und die Gebäude gehen auf die Stadt über. Leider entsprechen sie nun nicht mehr ganz dem aktuellen Stand der Technik. Eine neue ÖPP wird ausgeschrieben. Sie und Ihre Partner erhalten erneut den Zuschlag, schließlich hat man mit Ihnen gute Erfahrungen gemacht. Sie renovieren die Gebäude umfassend, und dafür läuft der Vertrag nochmals 30 Jahre weiter. Sie und Ihre Geschäftspartner lächeln zufrieden. Besser hätten Sie Ihr Geld nicht investieren können!