In der Kapitalanlage geht es um viel Geld. Bei der Aufnahme von Fremdkapital in Form von Krediten ebenso. Beim Eigenkapital sowieso. Selbst bei Derivatgeschäften zur Absicherung von Zins- und Währungsrisiken mit Swaps und Forwards stehen hohe Beträge im Raum. Gleichzeitig sind Themen rund um Kapitalanlage und Geldaufnahme nicht immer einfach, schon gar nicht für jemanden, der nicht täglich damit zu tun hat. Entsprechend hoch ist der Beratungsbedarf.

Beratung: Häufig umsonst. Niemals gratis.

Die Angebote zu Anlage- und Finanzierungsberatung sind beinahe unübersichtlich groß. Da gibt es die klassischen Bank- und Sparkassenfilialen, Versicherungsmakler, freie Finanzberater, Robo Advisors, Youtube und Social Media Influencers, Investmentbanken, Vermittler und diverse sonstige Anlageberater und Vermittler. Sie alle bieten ihre Dienste an, wenn es um die beste Wahl der Geldanlage oder der Verschuldung geht. Vom kleinen Konsumentenkredit bis zur Corporate Bond Benchmark Anleihe, von der Goldmünze, der Aktie, dem Fonds bis zur Direktinvestition in Immobilien, Bäume, Kunst und Windräder, die ganze Bandbreite möglicher Investitionen und Strukturen wird angeboten. Was allen „Beratern“ gemeinsam ist: Sie verdienen an ihrer Tätigkeit.

Provisionsberatung oder Honorarberatung

In den meisten Ländern dieser Welt ist das häufigste Modell die Provisionsberatung. Hier erhält der Kunde eine scheinbar kostenlose Beratung, für die er oder sie zunächst nichts an den Berater bezahlen muss. Schließt der Kunde nun einen Vertrag ab, der ihm vom Vermittler empfohlen wurde, zahlt die Versicherung, die Bank, Sparkasse, der Fonds oder sonstiger Produktanbieter an den Vermittler eine Provision. Seit Mifid II muss dem Kunden mitgeteilt werden, dass Provisionen fließen und sogar in welcher Höhe. An der Einstellung vieler Kunden, die Beratung sei für ihn kostenlos, hat sich trotzdem nichts geändert. Dabei holt sich der Produktanbieter diese Provisionen natürlich vom Kunden wieder, und zwar in Form höherer Prämien, schlechterer Leistungen oder höherer laufender Gebühren oder Abschlussgebühren. Die Provisionsberatung ist nicht kostenlos.

Eine andere Form der Beratung ist die Honorarberatung. Hier bezahlt der Kunde an den Berater ein vereinbartes Beratungsentgelt, unabhängig davon, wie sich der Kunde schlussendlich entscheidet. Zum Standard wurde die Honorarberatung in Großbritannien, allerdings nicht aufgrund der hohen Kundennachfrage, sondern durch eine Gesetzesvorgabe. Die Kunden wollten weiterhin ihre auf den ersten Blick „kostenlose“ Beratung, und tatsächlich sind seit der Umstellung auf Honorarberatung in Großbritannien die Anfragen für Beratungen deutlich zurück gegangen. Und das, obwohl vielfältig dokumentiert ist, dass eine Honorarberatung bessere Ergebnisse erzielt und zufriedenere Kunden hervorbringt, als die Provisionsberatung.

Provisionsberatung = Interessenkonflikt

Je nach vermitteltem Produkt und Volumen erhält der Vermittler eine unterschiedlich hohe Provision. Da können manche Vermittler durchaus kreativ werden, und ob hier immer das für den Kunden passende Produkt empfohlen wird, ist mehr als fraglich. „Sie möchten ein Haus bauen und benötigen ein Darlehen über 300.000 Euro? Da hätten wir dieses tolle Angebot, kombiniert aus mehreren Einzeldarlehen, dazu ein Bausparvertrag, in den Sie ein weiteres Darlehen einzahlen, noch eine Versicherung dazu, und noch ein Forward-Darlehen wegen der Zinsbindung. Alles zusammen mit schwindelerregend langen Laufzeiten und wenig Tilgung. Macht unter dem Strich sieben Mal Provision. Vielen Dank für Ihren Besuch! Ihren Berater finden Sie im Autohaus nebenan bei der neuen E-Klasse.“

Die Beratung muss zwar laut Gesetz stets im Sinne des Kunden erfolgen, aber die Formulierungen sind schwammig. Beweisen Sie Ihrem Berater einmal, dass er nicht in Ihrem Sinne beraten hat, zudem Sie unzählige Dokumente zu Erklärungen und Disclaimern unterzeichnet haben, in denen Sie mit Ihrer Unterschrift überall bestätigt haben, dass Sie alles verstanden und durchschaut haben und sich der Provisionen, Interessenkonflikte und Risiken absolut bewusst waren. Sowieso fehlt den Kunden der Vergleich, was ihr Berater für andere Produkte an Provision erhalten hätte. Und einmal ehrlich, wären Sie an der Stelle des Beraters, und Ihr Lebensunterhalt hinge rein von den Provisionen der vermittelten Produkte ab: Würden Sie den billigen ETF empfehlen, für dessen Vermittlung Sie einmalig 15 Euro bekommen, oder doch lieber den aktiv gemanagten Mischfonds der Sparkassengruppe, für den Sie für die gleiche Anlagesumme 300 Euro bekommen und danach noch laufend jedes Jahr eine Bestandsprovision, solange der Kunde investiert bleibt?

Auch im institutionellen Geschäft fließen Provisionen. Hohe Provisionen.

Wer denkt das Problem betrifft nur private Anleger und Kreditnehmer, der irrt gewaltig. Die deutlich dickeren Fische gibt es im institutionellen Geschäft zu fangen. Erstens sind „Profis“ nicht mehr großartig durch Mifid II & Co geschützt, da sie als professionelle Gegenparteien gelten und dadurch weniger Schutz und Rechte genießen. Und zweitens geht es hier meist um richtig viel Geld. Entsprechend hoch können die Provisionen für die Vermittlung oder der Verkauf diverser Finanzprodukte und Dienstleistungen sein. In Zeiten niedriger Zinsen und einem nicht enden wollenden Renditedruck greifen Fondsmanager aus allen Lagern zunehmend auf illiquide Privatplatzierungen zurück. Gerade bei undurchsichtigeren oder illiquiden Assets können Vermittlungsgebühren und Kick-Backs durchaus 1% oder mehr betragen, selbst im institutionellen Geschäft. Das summiert sich. Bezahlt werden diese Gebühren wiederum aus dem Fonds- oder Betriebsvermögen und reduzieren so die Performance. Sie gehen letztendlich wieder zu Lasten des Endinvestors. Der zahlt im Zweifel also doppelt, einmal direkt und dann indirekt. Das ist kein neues Phänomen, sondern lange bekannt. Doch bis auf wenige Ausnahmen – New York und Pennsylvania beispielsweise haben die Nutzung von Anlagevermittlern („placement agents“) für ihre öffentlichen Rentenkassen schon vor Jahren verboten – geht die Praxis ungebremst weiter.

Gebühren stecken überall

Ein neuer Zinsswap über 10 Millionen für den Windpark? Die im Preis schon enthaltene Marge von 1% oder 100.000 Euro wird selbstverständlich nicht direkt ausgewiesen, sondern als „Risikoaufschlag“ für dies und das verbucht. Die Platzierung der neuen Schuldscheinemission und der nächsten ABS Verbriefung? Die Vermittlung einer neuen Anleihe für den Rentenfonds? Überall fließen Provisionen und Gebühren für Abschluss, Vermittlung oder Platzierung, und das in der Regel im fünf- bis sechsstelligen Bereich, und manchmal auch siebenstellig, ohne dass es der Kunde merkt.

Mit Abschlussprovisionen allein ist es nicht getan.

Für die Platzierung von Hedge Fonds und Private Equity Fonds etwa zahlen die Fonds an Vermittler häufig 1% upfront und danach 0,1% laufend. Das entspricht in etwa der Hälfte dessen, was der Fonds vom Investor an Gebühren nimmt. Die laufenden Rückvergütungen sind nicht zu unterschätzen, und je länger der Investor investiert bleibt oder je länger der Kredit läuft, desto länger erhält der Vermittler das vereinbarte Entgelt. Damit sind Interessenkonflikte eindeutig vorprogrammiert und scheuen Berater nicht davor zurück, Produkte zu empfehlen, die lange Mindesthaltefristen und Mindestlaufzeiten haben, oder die nur durch die Zahlung teurer Vorfälligkeitsentschädigungen kündbar sind.

Beratung hat ihren Preis. Und: Beratung ist nicht gleich Verkauf.

Gute Beratung hat auf jedem Gebiet ihren Wert und damit auch ihren Preis. Es würde schließlich auch niemand von einem Anwalt erwarten, dass dieser in seiner Kanzlei nur kostenlose Rechtsberatung verteilt, oder von einem Arzt, dass dieser ohne Versicherungskarte oder Behandlungsvertrag untersucht, operiert oder behandelt. Wir als Unternehmensberater bekommen selbstverständlich unser vereinbartes Honorar. Entsprechend haben Anlageberater und Finanzierungsvermittler aus allen Bereichen ihre Daseinsberechtigung und erfüllen wichtige Funktionen. Beratung ist allerdings nicht gleich Verkauf, und der Kunde tut gut daran, zwischen echten Beratern und als Berater getarnten Verkäufern zu unterschieden. Das gilt übrigens sowohl für Kleinanleger und Privatpersonen, als auch für Institutionelle.