Martina Bahl von BahlConsult GmbH: Ihre Expertin für die Analyse und Bewertung strukturierter Produkte, Derivate und SwapsEs ist ein relativ neuer Trend, den die FinTech Szene hier als nächste Revolution im Asset Management erwählt hat. Social Trading bezeichnet im weitesten Sinne das kostenlose Teilen von Anlagestrategien, die von anderen nachgebildet werden können. Jeder kann damit quasi über Nacht und ohne den Nachweis einer Qualifikation zum Portfolio Manager werden.

Die Anbieter für Social Trading Plattformen, die mit diesem Trend Geld verdienen wollen, schießen mittlerweile rasant aus dem Netz. Ayondo, Zulutrade, Fidor, Wikifolio und viele andere bieten über ihre Internetplattformen eine ganz spezielle Art der Vermögensanlage. Jeder, der sich dazu berufen fühlt, also theoretisch auch Sie und ich, können dort ein Musterportfolio anlegen. Finden unseren Vorschlag genügend Mitglieder interessant und sagen, dass sie in unser Musterportfolio – meist aus einer übersichtlichen Anzahl Aktien zusammengestellt – investieren würden, kommt der nächste Schritt. Je nach Anbieter muss der Investor entweder direkt ein Brokerkonto bei einem ganz bestimmten Partnerbroker eröffnen und darüber wird für ihn automatisiert gehandelt, oder der Investor kann über das Brokerkonto seiner Wahl ein Zertifkat erwerben, das die Strategie nachbildet.

Im Fall des Brokerkontos bei einem ganz bestimmten Partnerbroker werden von dem Broker pro Trade natürlich Gebühren berechnet. Diese Gebühren werden vom Broker dann mit dem Anbieter der Plattform und dem Portfolio Manager geteilt. Der Vorteil bei diesem Modell ist, dass die Wertpapiere direkt im Namen des jeweiligen Investors als Sondervermögen geführt werden. Der Nachteil kann in den Kosten liegen, denn es fallen nicht nur Ordergebühren an, sondern auch Konto- und Depotführungsgebühren. Da sich das Brokerkonto häufig im Ausland befindet, sollte sich jeder Investor mit der dafür geltenden Regulierung beschäftigen.

Im Fall von Zertifikaten funktioniert die Sache etwas anders. Hier legt eine kleine Bank, die zusammen mit dem Social Trading Plattform Anbieter arbeitet, ein eigenes Zertfikat auf, das genau unsere Strategie nachbildet. Die Investoren können so viel oder wenig von dem Zertifikat kaufen, wie sie möchten. Als Provision teilen wir uns mit der Bank und dem Plattform Anbieter eine Provision zwischen 5% und 30% an den Gewinnen, welche die Anleger des Zertifikats erwirtschaften.

Aber auch die Lösung über Zertifikate hat ihre Schattenseiten. Zum einen handelt es sich nicht um eine internationale Großbank, sondern in der Regel um einen kleinen, regionalen Anbieter, von dem der Investor sein Zertifikat erwirbt. Da ein Zertifikat rechtlich eine Anleihe ist, also eine Inhaberschuldverschreibung, übernimmt der Investor auch das Emittentenrisiko. Dafür müsste eigentlich ein sogenannter Funding-Spread auf das Zertifikat gezahlt werden. Eigentlich. Denn in den Zertifikaten der Anbieter ist dieser entweder nicht oder nicht in ausreichender Höhe eingepreist. Von Emittentenseite wird das mit Bearbeitungskosten für Retail Zertfikate begründet, da es keine offizielle, laufende Mindestgebühr gibt. Was das Ausfallsrisiko betrifft greift zwar bis zu einem maximalen Betrag die Einlagensicherung. Mit einem klassischen Investmentfonds, bei dem das Anlagevermögen in der Regel als Sondervermögen vor einer Insolvenz des Anbieters geschützt ist, wäre ein Anleger dennoch deutlich besser geschützt.

Es stellt sich natürlich auch die Frage, wer hier seine tollen Ideen zunächst völlig kostenlos mit der ganzen Welt teilt. Etablierte, ausgebildete und erfolgreiche Fondsmanager werden dies eher nicht tun. Sie würden ansonsten ihr eigenes Geschäftsmodell kanibalisieren.  Wer sind also die Strukturierer der Musterportfolien? Neben Privatpersonen sind dies überraschenderweise vor allem Journalisten von Zeitungen und Zeitschriften. Entsprechend hoch gelobt wird das Konzept in vielen Medien. Als Strukturierer von Musterportfolien mit von der Partie sind auch weniger bekannte, kleine und regionale Vermögensverwalter, die sich mit einem Social Trading Portfolio zusätzlichen Bekanntheitsgrad erhoffen. Zuguterletzt finden sich auch speziell für diesen Zweck gegründete FinTech Firmen, die mit computergestützten Trendmodellen Portfolien konstruieren.

Die Performance? Bei manchen gut, bei anderen schlecht. Schöne Gewinne kommen genau so vor wie Totalverluste. Hier hat der Investor die Qual der Wahl, aus unzähligen selbsternannten Portfoliomanagern den Gewinner zu wählen. Ein Vorteil ist natürlich, dass die Wertentwicklung und der Track Record jedes Portfolioanbieters sehr transparent ist. Es mag durchaus talentierte Trader geben, an deren Strategien sich jemand gerne anhängen möchte. Und das System folgt dem populären Trend des Teilens von Ideen über soziale Medien.

So weit so gut. Klingt nach einer interessanten, neuen Möglichkeit. Allerdings muss sich jeder, der Social Trading machen möchte, im Klaren sein, dass es sich hier um eine unregulierte Tätigkeit handelt. Die Anlageideen werden weder als Anlageberatung noch als Vermögensverwaltung angesehen, und der Kleinanleger unterliegt damit auch nicht dem Schutz des Kleinanlegerschutzgesetzes oder Mifid.

Dann ist da noch das Thema des Kursrisikos. Der Investor trägt das volle Risiko, was die Investition betrifft. Er hat die sogenannte volle „Downside“, also das Risiko, wenn das Portfolio im Wert sinkt. Die „Upside“ hingegen, also eine positive Wertentwicklung, muss der Investor in einigen Modellen, wie jenem von Wikifolio, zum großen Teil an andere abgeben. Zugegeben, das ist bei klassischen Fondsinvestments nicht anders, aber Gewinnprovisionen von bis zu 30% sind dann doch eher auf der hohen Seite.

Fazit: Social Trading ist ein interessantes und neues Konzept und trifft den Puls der Zeit. Es ist heute modern, seine Ideen mit anderen zu teilen. Allerdings muss jeder Investor – wie immer und überall, wenn es um Anlagen und Geld geht – auch aufpassen, dass niemand zu großen finanziellen Vorteil in Form von Gebühren und Provisionen aus ihm zieht, und der Investor sollte die Risiken, die er mit seiner Gefolgschaft eines Social Trading Anbieters eingeht, im Blick haben.