Im Juni 2019 sprach Paul Smith, der Präsident des CFA Institutes, im Rahmen seiner Abschiedstour vor seinem Ruhestand in Frankfurt. Er, ein absoluter Veteran der Investment Branche, sagte dabei etwas Erstaunliches: „There is no such thing as an investment profession.“ Es gibt keinen Berufsstand Investment Fachmann oder Fachfrau. Einen richtigen Berufsstand, so Paul Smith, hätten zum Beispiel Ärzte oder Anwälte. Sie bekommen nach erfolgreicher Ausbildung eine Berufsberechtigung, die von der Gesellschaft anerkannt wird. Anlageberater hingegen kann sich schnell jemand nennen. Paul Smith lachte als er sagte, dass es in vielen Staaten schwieriger sei, einen Jagd- oder Fischereischein zu erlangen, als Anlageberater zu werden.

Die Club Mentalität

Ein ganz anderes Bild von sich selbst hätten selbstverständlich die Banker und Investment Berater aus der Branche. Sie würden durchaus große Stücke auf sich halten und ihre jeweiligen Zugehörigkeiten zu diversen Organisationen oder Vereinen hoch halten. Doch am Ende, so Paul Smith, sei es wie bei Clubs wie Rotary und Co. Niemand, der nicht selbst Mitglied ist, schert sich irgendetwas darum. Das, was wir Investment Fachleute zu können glauben, wird von der Gesellschaft schlicht nicht sehr hoch eingeschätzt. Das mag bitter zu hören sein, aber Paul Smith könnte damit nicht ganz unrecht haben.

Es fehlen einheitliche und anerkannte Standards

Die Branche ist zersplittert und ohne einheitliche Standards oder Ausbildungsniveaus. Die Qualität von Beratern jeder Art in der Finanzbranche schwankt enorm. Bei einem Arzt darf jeder darauf vertrauen, dass dieser eine Reihe von Grundkursen sowie eine gewisse Anzahl an Praxisstunden absolviert hat. Ganz anders sieht das bei einem Investment Berater aus. Der rühmt sich meist zahlreicher Erfahrungen aus der Praxis und kann vielleicht das ein oder andere Diplom einer der zahlreichen Vereine und Vereinigungen vorweisen. Bei einem Arzt würde uns wahrscheinlich nicht reichen, wenn dieser sagt, er habe schon mal bei einer Blinddarm-Operation zugesehen, darüber Youtube-Videos gesehen, vor Jahren mal einen tollen Kurs in der Skalpel-Führung absolviert und deshalb würde er das bestimmt hinbekommen. Entsprechend sollten wir Investment Fachleute uns nicht wundern, wenn uns das breite, gesellschaftliche Vertrauen in unsere Branche und unseren Beruf verwehrt wird.

Doch wie geht es weiter?

Die Finanzbranche behandelt komplizierte Themen, die von Außenstehenden nur schwer zu erfassen und zu begreifen sind. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, sondern ganz im Gegenteil: Die Welt der Finanzen wird zunehmend komplexer. Künstliche Intelligenz, Blockchain, jede Menge neuer Technologien und dazu eine immer engere, internationale Verzahnung über Landes-, Währungs- und Zeitgrenzen hinaus, mit immer schneller werdenden Zyklen und Entscheidungen. Dazu kommt Big Data mit einer schwindelerregenden Fülle neuer Variablen, Faktoren und Informationen über jede, jeden, jedes und alles. Damit steht die Finanzbranche und mit ihr alle, die darin beruflich tätig sind, vor gigantischen Herausforderungen. Die Anforderungen an Investment Professionals werden damit größer anstatt kleiner. Der Computer mag uns viele Tätigkeiten abnehmen, allerdings dürfte die Verbindung zwischen Mensch und Maschine damit nur noch wichtiger werden, gerade in der Finanzindustrie. Dafür die richtigen Leute mit den richtigen Qualifikationen zu finden, ist aktuell eine der größten Herausforderungen. Denn die klassischen Studien wie Betriebswirtschaft, Recht oder Informatik liefern für die Anforderungen der Finanzwirtschaft von heute und morgen nicht einmal das notwendige Grundgerüst. Die ein oder anderen Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen mögen dabei besser sein als andere. Von einheitlichen, brauchbaren und gesellschaftlich anerkannten Ausbildungen und Qualifikationen sind wir in der Finanzbranche aber noch weit entfernt. Es ist schon lange üblich, dass große Unternehmen deshalb ihre eigenen Akademien und Trainee-Programme konzipieren. Eine nachhaltige Lösung bei der Suche nach einem anerkannten Berufsstand ist das selbstverständlich nicht.

Noch ein langer Weg zum Berufsstand

Der Weg zum Berufsstand kann ein langer sein. In der Medizin hat es Jahrtausende gedauert, bis sich international Regeln für die Qualifikation von Ärzten durchsetzen konnten. Die Bank- und Investmentbranche ist dagegen noch vergleichsweise jung. Ganz so lange sollte es hoffentlich nicht dauern, aber mit Sicherheit noch einige Jahrzehnte, bis sich die Branche zusammen mit der Gesellschaft auf Standards einigen wird, um auch endlich die wichtige gesellschaftliche Funktion der Investment Fachleute in einen qualitativ vertrauensvollen Berufsstand zu erheben.