BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Experten für die Bewerung, Analyse und Beratung rund um Zinsswaps, Derivate und komplexe FinanzstrukturenAktienbesitz ist in der Regel mit einem Stimmrecht in der Hauptversammlung verknüpft. Als Miteigentümer ist der Aktionär berechtigt, über wichtige Punkte mit abzustimmen und den Weg des Unternehmens mit zu bestimmen.

Durch mehrere Entwicklungen in der Art, wie Aktieninvestments heute gemacht werden, haben wichtige Gruppen von Aktionären aber immer weniger Interesse daran, aktiv in den Lauf der Hauptversammlung einzugreifen. Nehmen wir etwa die vielen Exchange Traded Funds und andere passive Indexstrategien, die heute von vielen Anlegern präferiert werden. Diese halten heute geschätzte 30% des Aktienvermögens der Unternehmen in den großen Indices. Das Hauptargument sind hier in der Regel die Kosten, vor allem deren Vermeidung. Die Strukturen im Management der meisten passiv gemanagten Fonds sind flach und versuchen, mit geringen Kosten ein Maximum an Volumen zu verwalten. Wenn sich bei einem Fonds, der als Indextracker durchaus Aktien von dutzenden bis hunderten verschiedener Unternehmen hält, niemand aktiv mit den Themen der vielen Hauptversammlungen beschäftigen muss, spart das Zeit, Personal und am Ende natürlich administrative Kosten. Und so kommt es, dass viele Fonds sogar schon in ihren Statuten festhalten, dass ihre Manager nicht aktiv an Abstimmungen teilnehmen. Sie enthalten sich entweder der Stimme ganz, geben ihre Stimmrechte an professionelle Proxi Unternehmen ab, oder halten von vorne herein fest, dass sie immer mit dem Vorschlag des Managements des Unternehmens oder einem anderen großen Investor konform gehen.

Andere Investorengruppen hingegen haben wiederum ein sehr großes Interesse, Hauptversammlungen zu beeinflussen. Sogenannte Aktivisten unter den globalen Investoren machen sich das Desinteresse der passiven Investoren gerne zunutze. Als gerne genutztes Mittel der Wahl dient hier die kurzfristige Aktienleihe rund um die Hauptversammlung. So kann sich beispielsweise ein Investor, der ansonsten nur 1% der Stimmrechte hält, für einige Tage riesige Aktienpakete bei anderen Investoren leihen. Die Kosten dafür sind nicht besonders hoch, doch der Investor erhält dadurch in der Hauptversammlung deutlich mehr Stimmrechte, als er eigentlich hätte. Man bezeichnet diese dann auch gerne als „Leere Stimmrechte“ oder „Empty Votes“. Dadurch kann jemand die Hauptversammlung stark beeinflussen, ohne volles wirtschaftliches Eigentum an den Aktienpaketen zu halten.

In den USA ist Empty Voting an der Tagesordnung und wird gerne von Hedge Fonds genutzt. In Europa sieht die ESMA, die Europäisch Aufsichtsbehörde für den Finanzmarkt, die Ausübung leerer Stimmrechte als besonders problematisch an und stuft diese sogar als Marktmissbrauch ein. Erlaubt ist die Praxis dennoch. Es gibt zwar in vielen Märkten Empfehlungen, wie sich sogenannte Proxy Advisors zu verhalten haben und wie mit Stimmrechten generell verantwortungsvoll umgegangen werden soll. Am Ende wird sich Empty Voting oder die automatische Parteiergreifung in Hauptversammlungen durch die zunehmende Beliebtheit passiver und kostensparender Anlagepräferenzen kurzfristig nicht unterbinden lassen.