Noch vor zehn Jahren musste sich niemand, der Zinsswaps handelte oder bewertete, um so banale Dinge kümmern wie Fundingkosten, Credit oder gar die Basis. Swaps, die als Hedge für Emissionen oder Kredite abgeschlossen wurden, hatten sehr häufig riesige Upfront Zahlungen am Beginn. Je nach Nominalbetrag konnte das schon in die Millionen gehen und war keinesfalls selten. Die hohen Upfront Zahlungen versteckten nicht nur so manch saftige Marge, sondern dienten schlichtweg als Finanzierungsvehikel, das nicht sofort auf der Bilanz aufpoppte. Die vorab ausbezahlten Euros, Dollars und Sterling wurden über höhere Kupons im Swap finanziert. An Fundingkosten dachte damals niemand. Die Banken finanzierten sich vor 2008 sowieso durchwegs günstig. Die meisten normalen Banken lagen um die Euribor Flat, manche finanzierten sich gar zu Euribor minus etlichen Basispunkten, und sogar die großen, amerikanischen Broker wie Bear und Lehman hatten selbst für längere Laufzeiten gerade einmal Fundingspreads im mittleren, zweistelligen Bereich. Geld kostete also nichts. Auch die Basis war irrelevant. Ob gegen 6-Monats-Euribor oder 3-Monats-Euribor, der Preis war meist ident oder maximal in der dritten Nachkommastelle leicht unterschiedlich. Die Fixings der Euribor-Sätze waren ebenfalls ziemlich einheitlich. Banken galten damals als sicher, und ob man sich Geld für drei oder sechs Monats lieh, das erschien allen als das selbe, geringe Risiko. Collateral Agreements gab es zwar nach und nach immer mehr, sie waren aber bei weitem nicht Voraussetzung, um Swapgeschäfte machen zu können. Unbesichert oder besichert, das spielte beim Preis zudem keine Rolle. Jeder erhielt den selben Preis. Die Zinskurven waren simpel, von Basis oder Eonia keine Spur, und alles wurde schlicht mit „der“ Euribor-Kurve diskontiert.
Und heute? Das Preisen von Zinsderivaten ist zur Wissenschaft geworden. Allein der korrekte Aufbau der vielen Kurven, die nunmehr benötigt werden, beschäftigt überall ein kleines Heer kluger Quants. Hinzu kommen aber auch jede Menge „Adjustments“, die das Preisen in so manchen Fällen einfach unbequem machen. Sie haben so wunderbare Namen wie CVA (Credit Valuation Adjustment), DVA (Debt Valuation Adjustment) oder FVA (Funding Valuation Adjustment). Neuerdings werden auch MVA (Margin Valuation Adjustment) und KVA (Capital Valuation Adjustment) berechnet.
Dabei wird zunächst ein Zinsswap bewertet, als würde dieser mit dem sichersten und besten aller Geschäftspartner abgeschlossen. Doch dann folgen die verschiedenen Auf- und Abschläge. Das Credit Valuation Adjustment soll das Kreditrisiko unseres Kontrahenten einpreisen. Das Debt Valuation Adjustment folgt für unsere eigene Bonitätssituation. Und dann ist da noch das Funding Valuation Adjustment, das auf- oder abgeschlagen wird, sobald ein unbesicherter Swap mit einem besicherten Swap gehedged wird. Vom Wert des Swaps ohne jegliche Ausfallsrisiken wird das CVA abzezogen und das DVA hinzugerechnet, und wenn noch ein Besicherungsungleichgewicht hinzu kommt, dann folgt auch noch ein FVA Auf- oder Abschlag. Da es nunmehr eine Vielzahl über eine zentrale Gegenpartei wie etwa LCH (London Clearing House) geclearte Swaps gibt, und für diese jeweils eine Margin hinterlegt werden muss, die selbstverständlich finanziert werden will, wird nun dafür das MVA (Margin Valuation Adjustment) berechnet. Das KVA, das Capital Valuation Adjustment, ist noch etwas umstritten, hat aber dennoch den Einzug in die sogenannten XVAs geschafft.
Über den Sinn und Unsinn, die Möglichkeiten der Berechnung und deren Validierung wird zwischen Theorie und Praxis heftig diskutiert. Lehre und Wissenschaft stehen dem Konzept der XVAs sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber, mit den prominentesten Vertretern John Hull und Alan White, die vor allem gegen das Funding Valuation Adjustment wettern. Die großen Banken hingegen haben viele der XVAs bereits implementiert und arbeiten an Verbesserungen der entsprechenden Modelle.
Grundsätzlich sind das alles sinnvolle und valide Gedanken, die in die Bewertung mit einfließen können. Doch häufig kommen die Auf- und Abschläge, die verwendet werden müssen, aus handelsfernen Abteilungen. Die Berechnung selbst ist meist streng geheim und erscheint in manchen Fällen durchaus etwas willkürlich gewählt. Sie werden auch nachträglich auf- und abgeschlagen oder verändert und führen dann gerne mal zu internen Bewertungsdifferenzen, also unter dem Strich meist zu Verlusten in diversen Handelsbüchern. Hinzu kommt, dass die Berechnung sehr individuell ist. Schließlich wird jeder Swap mit einem anderen Geschäftspartner abgeschlossen, der wiederum eine ganz eigene Bonitätssituation hat. Diese kann sich schnell verändern, wie man aktuell am Fall der Deutschen Bank sieht. Die eigene Bonität betrifft das natürlich ebenso, und darüber hat das eigene Risikomanagement wahrscheinlich den besten Einblick.
Gegenüber dem Kunden werden die XVAs, also CVA, DVA, MVA, KVA und FVA, bei Geschäftsabschluss meist nur dann verrechnet, wenn sie zu seinen Ungunsten ausfallen. Einen CVA-DVA-Vorteil sehen die meisten Kunden bei ihren Preisen eher nicht. Während der normalen Laufzeit gehen die XVAs dann im Zweifel zulasten des jeweiligen Händlers und seines Buches. Und bei einer eventuellen, vorzeitigen Auflösung oder Umstrukturierung werden die Vorteile meist nicht dem Kunden weitergereicht, Nachteile allerdings durchaus in den Auflösungspreis mit eingerechnet und sogar als Rechtfertigung für Preise verwendet.
Die XVAs sind nicht die einzige Erklärung, warum Swappreise heute komplexer, schwieriger zu berechnen und nicht mehr so leicht vergleichbar und nachvollziehbar sind wie früher. Auch Faktoren wie die Kurvenkonstruktion, komplexere Modelle zur Berechnung negativer Strikes und der ganze Themenkomplex rund um die verschiedenen Basis- und Fundingkurven spielen eine wichtige Rolle. Doch gerade die XVAs, die vielfach aus einer geheimen, internen Blackbox zu kommen scheinen, sind für Händler und Kunden ein kontroversielles Thema geworden.