In der EU sind derzeit etwa 10.000 Unternehmen an den verschiedenen Börsenplätzen gelistet. Unter den derzeitigen Regelungen und Rahmenbedingungen haben Aktionäre allerdings nur begrenzt Rechte, obwohl sie Miteigentümer des Unternehmens sind. Genau das möchte die Europäische Kommission mit einem neuen Vorschlag für verbesserte Aktionärsrechte verändern.
Für die Europäische Kommission ist es wichtig, wieder Langfristigkeit in das Denken und Handeln börsengelisteter Unternehmen zu bringen. Der aktuelle Trend geht in Richtung kurzfristiger Gewinnmaximierung, und Aktionäre empfinden sich selten als Teil des Unternehmens sondern streben ebenfalls in den meisten Fällen ihren eigenen finanziellen Vorteil in Form steigender Börsenkurse und hoher Dividenden an, anstatt an den Unternehmensgegenstand und den langfristigen Unternehmenserfolg zu glauben.
Schuld an dieser Entwicklung mag durchaus die fehlende Einbeziehung von Aktionären sein. Denn bisher haben Aktionäre kaum eine Möglichkeit, die Richtung eines Unternehmens mitzubestimmen, das Management zu kontrollieren oder Einfluss auf die Unternehmensstruktur und auch die Gehaltsstruktur zu nehmen. Zudem haben Aktionäre derzeit wenig Kontrollmöglichkeiten über die Unternehmen, an denen sie Anteile besitzen. Ausnahmen stellen hier nur einige wenige globale Großinvestoren dar. Stimmrechte auszuüben, wenn sich das Unternehmen nicht im eigenen Land befindet, kann für Aktionäre heute ebenfalls eine große Hürde darstellen.
Die europäische Shareholder Rights Directive von 2007 soll deshalb reformiert werden. Im April 2014 legte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für die überarbeitete Richtlinie über Aktionärsrechte vor, der danach an den Rat sowie das Europäische Parlament zur Begutachtung ging. Im Juli 2015 hat das Europäische Parlament eine Änderung des Vorschlags der Kommission beschlossen. Nun kommen die Mitgliedsstaaten noch zu Wort. Die überarbeitete Richtlinie könnte damit bereits Ende 2015 oder Anfang 2016 beschlossen werden. Für die Umsetzung in nationales Recht haben die Mitgliedsstaaten danach insgesamt 18 Monate Zeit. Die überarbeitete Richtlinie über Aktionärsrechte könnte also frühestens Mitte 2017 in Kraft treten. Die Mühlen der europäischen Bürokratie mahlen langsam.
Doch was ist nun neu, was soll sich verbessern?
- Den Aktionären sollen deutlich mehr Rechte eingeräumt werden. Schließlich sind sie die Eigentümer des Unternehmens. Deshalb sollten sie in einen aktiven Dialog mit dem Management kommen.
- Aktionären soll mehr Einblick in und Entscheidungsgewalt über die Gehaltsstruktur des Managements gegeben werden.
- Aktionäre sollten bei geplanten, wesentlichen Unternehmenstransaktionen mit verbundenen Gesellschaften um ihre Zustimmung gefragt werden.
- Zudem soll die Corporate Governance verbessert werden und das Handeln institutioneller Großaktionäre transparenter gestaltet werden.
- Auch die Möglichkeiten der Mitbestimmung für ausländische Aktionäre sollen verbessert werden. Denn in der EU werden derzeit 44% der Aktien nicht im Heimatland des Unternehmens gehalten.
- Letzteres ist vor allem bei Stimmrechten problematisch. Diese werden häufig automatisch an sogenannte „Proxy Advisers“ abgegeben, die oft intransparent arbeiten und möglicherweise auch Interessenskonflikte haben. Auch hier soll mehr Transparenz geschaffen werden durch einen speziellen Verhaltenskodex.
- Dem Unternehmen sollen Informationen über seine Aktionäre zur Verfügung gestellt werden.
- Weitere Änderungen betreffen die Transparenz durch neue Berichtspflichten. So sollen große Unternehmen, Gesellschaften des öffentlichen Interesses und Unternehmen, deren Wertpapiere an einer Börse in der EU gehandelt werden, jährlich bestimmte Finanzinformationen veröffentlichen.
Allerdings soll die überarbeitete Richtlinie über Aktionärsrechte auf freiwilliger Basis Anwendung in börsengelisteten Unternehmen finden. Jene Aktiengesellschaften, die sich nicht an die neuen Transparenz- und Zusammenarbeitsempfehlungen der Richtlinie halten wollen, müssen dies allerdings erklären. Bei den Managementgehältern soll den Mitgliedsstaaten zudem freigestellt werden, ob sie einen Aktionärsbeschluss für die Begrenzung von Gehältern nur als Empfehlung aufnehmen oder als bindend ansehen wollen.