BahlConsult GmbH: Ihre Experten für die Bewertung und Analyse von Swaps, Derivaten und strukturierten Produkten.Während meines Studiums schleppte mich einmal ein Kommilitone zu einer Mischung aus Verkaufs- und Rekrutierungsveranstaltung eines Unternehmens, das sich hinterher als Pyramidensystem entpuppte. Die Veranstaltung war für mich absolut unheimlich. Der Tagungsraum eines Wiener Mittelklassehotels war bis zum letzten Platz gefüllt. Die meisten Teilnehmer waren Männer. Vorne als Redner stand ein Mann im teuren Anzug, der mit schreierischen Parolen die Menge aufheizte. So in etwa mit: „Wollt ihr endlich richtig Geld verdienen?“ Die Leute antworteten zuerst zögerlich und nach und nach immer lauter mit: „Ja!“ Dann kamen noch so Sätze wie „Wollt ihr endlich reich sein?“ Mit jeder Frage gröhlten die Massen lauter. Viele sprangen von ihren Plätzen auf und jubelten regelrecht zu idiotischen Sätzen wie: „Wollt ihr euch endlich ein richtig schnelles Auto kaufen können?“ Viele der Anwesenden steigerten sich erstaunlich in die Sache hinein, und am Ende der Veranstaltung rissen sie dem Redner die Antragsformulare regelrecht aus den Händen.

Ich selbst wollte damals nur möglichst schnell weg. Der Studienkollege, der bereits aktiv in dem Pyramidenspiel involviert war, schien deshalb verzweifelt. Der Chef dieser unheimlichen Gruppe warf meinem Kommilitonen böse Blicke zu, weil er niemanden mitgebracht hatte, der ebenfalls einsteigen wollte. Der Studienkollege tat mir deshalb leid, aber ich verließ die Veranstaltung trotzdem. Leicht traumatisiert ging ich nach Hause. Einige Monate später las ich in der Zeitung (Internet war vor 20 Jahren noch nicht so allgegenwärtig wie heute), dass sich das Unternehmen als Pyramidenspiel entpuppt hatte und sich sich die Verantwortlichen mit viel Geld ins Ausland abgesetzt hatten. Einige wurden verhaftet, und viele andere waren mit großen Schulden zurück geblieben. Traurigerweise erfuhr ich auch, dass der Studienkollege Selbstmord begangen hatte. Ob wegen des Pyramidenspiels, das kann ich nicht sagen, aber möglich ist es durchaus.

Das alles war vor 20 Jahren. Auch heute gibt es Pyramidensysteme, mit denen Investoren und einfachen Leuten Geld aus der Tasche gezogen wird. Doch die Zeiten sind moderner geworden. Anstatt mühsam über lokale und regionale Netzwerke zu rekrutieren, finden die Betrüger ihre Opfer heute weltweit über soziale Medien. Und anstatt einiger hundert Teilnehmer haben die heute erfolgreichen Pyramidensysteme mehrere zehntausend Mitglieder aus vielen Ländern. Die Drahtzieher sitzen häufig in Ländern, in denen ihnen wenig Ungemach droht.

Das System ist hingegen immer noch das alte. Ein Produkt oder Investment soll vertrieben werden, mit dem Versprechen astronomischer Gewinne bei geringstem Aufwand. Das Produkt oder Investment ist dabei meist nur ein Vorwand, und häufig gibt es das Investment gar nicht real. Das wirtschaftliche und finanzielle Risiko für den Verkauf trägt das jeweilige Mitglied, das die Produkte oder Investments vorher vom Unternehmen erwirbt und dann an seine Kunden – meist sind das Freunde und Verwandte – weiterverkauft. Idealerweise wirbt das Mitglied neue Verkäufer und erhält für jeden Verkauf, den diese tätigen, einen Teil der Provision. Der Verkäufer an der Spitze der Pyramide erhält von jedem weitern Mitglied immer wieder Provisionen. Irgendwann ist der Zenit dann erreicht, es finden sich keine neuen Mitglieder mehr oder das Produkt oder Investment lässt sich nicht länger vertreiben, und das System fällt in sich zusammen. Auf der Stecke bleiben die vielen relativ neuen Mitglieder, die sich noch an der Basis der Pyramide befinden, wohingegen die Drahtzieher, die an der Spitze des Systems waren, ihre Schäfchen bereits ins Trockene gebracht haben.

Das Erkennen eines Pyramidensystems kann schwer fallen, wenn einem das Investment von einem guten Bekannten, einem langjährigen Geschäftspartner oder sogar Verwandten angeboten wird, der damit angeblich selbst bereits viel Geld verdient hat. Oder über Kontakte auf sozialen Medien, die mit zahlreichen positiven Meldungen zu den überaus tollen Verdienstmöglichkeiten und unglaublichen Renditen prahlen. Doch gerade in unserer heutigen Zeit gibt es viele und zahlreiche Betrüger, die mit derartigen Pyramidensystemen nach Anlegern suchen. Im Unterschied zu früher haben sie einen tollen und professionellen Internetauftritt, der sich nicht nur auf eine Seite beschränkt, sondern über auf den ersten Blick völlig unabhängige Portale für dieses tolle Investment wirbt. Sie wickeln ihre Zahlungen über moderne Bezahldienste oder Bitcoins ab, und am Ende eines verschachtelten Systems aus verschiedenen Scheinunternehmen landet das Geld sicher irgendwo in Belize oder einem anderen Offshore Paradies, das Kriminelle weder ausliefert noch dem Geld hinterher forscht, das über welche Wege auch immer ins Land fließt. Das Geld der getäuschten Anleger ist dann in der Regel verloren. In selteneren Fällen, wie jenem von Bernard Madoff, erhalten manche einen Teil des Geldes tatsächlich zurück, aber das dürfte die Ausnahme sein. Die meisten Geschädigten übrigens verschweigen ihre Teilnahme an einem aufgeflogenen Pyramidensystem. Zu groß ist die Scham, auf diesen alten Trick hereingefallen zu sein.

Für Anleger gilt es, stets vorsichtig zu sein, und Investments, die allzu gut klingen, auch in Hinblick auf die Möglichkeit eines Pyramidensystems zu hinterfragen. Das gilt sowohl für Privatpersonen als auch für institutionelle Investoren, denn auch vor diesen machen die Betrüger nicht halt.