Wozu benötigt man eigentlich Zinsswaps? Normalerweise erfährt die Öffentlichkeit nur dann etwas von solchen Geschäften, wenn sie gehörig schief gegangen sind. Das wirft die Frage auf, ob überhaupt ein – wohlgemerkt aus Kundensicht – sinnvoller Einsatz dieser Instrumente denkbar ist.

In den folgenden Beiträgen versuche ich, die Möglichkeiten und Grenzen – man könnte auch sagen den Sinn oder Unsinn – von Swapgeschäften aufzuzeigen. Zum Einstieg stelle ich die Hintergründe des ersten öffentlich dokumentierten Swaps dar.

Als Geburtsstunde des Swaps wird gemeinhin das Swap-Geschäft zwischen IBM und der Weltbank im August 1981 gesehen. Genau genommen ist dies ein wenig geflunkert, denn derartige Geschäfte wurden in den 70er Jahren bereits von britischen Banken getätigt, um ihren Kunden dabei zu helfen, die in Großbritannien herrschenden Devisenverkehrsbeschränkungen zu umgehen. (Wie so oft beflügeln staatliche Markteingriffe in Form von Verboten die Phantasie der Marktteilnehmer, die dann ihrerseits Umgehungsstrategien entwickeln, die wiederum zu einem noch viel höheren Regulierungsbedarf führen – aber das ist ein anderes Thema…)

Es wäre für eine so honorige Branche wie die der Finanzdienstleister natürlich undenkbar, wenn man in den Geschichtsbüchern lesen müsste, dass eines der Block Buster Produkte aus einem Hütchenspielertrick zur kreativen Umgehung regulatorischer Vorgaben hervorgegangen wäre. Insofern beugen wir uns also der konventionellen Legende und starten mit dem Swap zwischen IBM und Weltbank.  Die Ausgangslage im Sommer 1981 war  wie folgt:

Die Situation von IBM

IBM hatte sich in den vorangehenden Jahren in DEM und CHF verschuldet. Mit der Wahl von Ronald Reagan im Januar 1981 begann eine Phase der Aufwertung des USD gegenüber DEM und CHF. In der folgenden Grafik ist diese Wechselkursentwicklung durch den gepunkteten Rahmen markiert.

Wechselkursentwicklung DEM und CHF gegen USD (Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)

Diese Entwicklung war für IBM durchaus willkommen. Nehmen wir einmal an, IBM hätte ursprünglich DEM-Verbindlichkeiten i.H.v. 100 Mio. DEM im Januar 1979 aufgenomen. Bei dem damaligen Wechselkurs von rund 2 DEM/USD wäre IBM demnach ein Darlehensbetrag von 50 Mio. USD zugeflossen. Im Juni 1981 hätte IBM bei einem Wechselkurs von rund 2,50 DEM/USD die 100 Mio. DEM mit 100 Mio. / 2,50 DEM/USD = 40 Mio. USD tilgen können.

IBM hätte im Juni 1981 also wechselkursbedingt rund 10 Mio. USD an seinen Verbindlichkeiten verdienen können. Analoge Wechselkursgewinne ergaben sich bei den in CHF aufgenommenen Mitteln. Allerdings standen der Kündigung der Verbindlichkeiten mehrere Hindernisse im Weg:

  • die von IBM emittierten Anleihen und aufgenommenen Darlehen sahen keine vorzeitige Kündigung vor; IBM hätte sie – wenn überhaupt – nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsprämie im Sommer 1981 kündigen können;
  • eine Neuemission von USD-Anleihen, um die bestehenden in EUR und CHF denominierten Eurobonds zu ersetzen, hätte für IBM auch zusätzliche Emissionskosten verursacht;
  • bei Kündigung und Neuemission der Anleihen wäre für IBM der gesamte Währungsgewinn unter US-Recht steuerpflichtig gewesen.

IBM blieb also zunächst nichts anderes übrig, als die bestehende Darlehensposition zu halten – wobei mit jeder fälligen Zahlung in EUR und CHF zusätzlich auch noch Transaktionsspesen für den Devisentausch von USD in EUR oder CHF zu entrichten waren.

Die Situation der Weltbank

Die Weltbank schaute hingegen bei der Aufnahme ihrer Finanzmittel weniger auf den Wechselkurs sondern vielmehr auf die Zinsen, die für eine Verschuldung in den entsprechenden Währungen zu entrichten waren.

Traditionell hatten die Schweiz und die Bundesrepublik niedrigere Zinsen, was u.a. daran lag, dass ihre Zentralbanken seinerzeit eine geringere Inflation zuließen. In den USA hingegen versuchte Paul Volcker die Inflation mit einer entsprechend restriktiven Geldpolitik zu bekämpfen, welche zu steigenden USD Zinsen führte. Dieser Zinsunterschied ergibt sich aus dem folgenden Schaubild, welches die historische Entwicklung der DEM-Umlaufrendite und die Rendite für 5-jährige US Treasury Notes vergleicht.

DEM-Umlaufrendite und Rendite 5y T-Notes im historischen Vergleich (Quelle: Deutsche Bundesbank und Federal Reserve Board of Governors)

Ganz lupenrein ist dieser Vergleich übrigens nicht, da die Umlaufrendite ein gewichteter Durchschnitt der Sekundärmarktrenditen aller Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit zwischen 3 und 30 Jahren ist. Das Federal Reserve Board zeichnet demgegenüber die Rendite einer (i.d.R. hypothetischen) T-Note mit exakt 5 Jahren Restlaufzeit auf. Es ergibt sich also eine gewisse Laufzeiteninkongruenz beim obigen Zinsvergleich. Die durchschnittliche Restlaufzeit der in die Umlaufrendite eingehenden Bundespapiere dürfte sich allerdings oberhalb von 5 Jahren bewegen, so dass die Grafik den Zinsspread zwischen einer Verschuldung in USD und DEM eher noch untertreibt.

Nun stieß allerdings auch die Weltbank bei ihrem Wunsch nach einer Mittelaufnahme in Niedrigzinswährungen wie DEM oder CHF auf ein Problem:

Die Kapitalmärkte für DEM- und CHF-Anleihen waren bei weitem nicht so liquide wie der USD-Markt. Durch vorherige Emissionen in DEM und CHF (etwa die von IBM) waren diese Märkte schon stark „ausgetrocknet“ und Großemissionen, wie sie der Weltbank vorschwebten, hätten zu ernsthaften Verwerfungen auf diesen Märkten geführt.

Die Lösung

IBM wollte also aus seinen DEM- und CHF-Finanzierungen aussteigen, konnte es aber aus vertraglichen und steuerlichen Gründen nicht. Die Weltbank hingegen hätte gerne eine solche Finanzierung aufgesetzt, scheiterte aber an der Markttiefe der DEM- und CHF-Anleihemärkte. – Solche Situationen sind klassischerweise die Momente, in denen findige Investmentbanker ihre Chance sehen. So war es auch diesmal.

Vereinfacht sah die Lösung vor, dass die Weltbank ihre Anleihen anstatt in DEM oder CHF zu begeben einfach wieder im liquiden USD-Bondmarkt aufnehmen sollte – und zwar in dem Umfang und mit den Laufzeiten, die den bei IBM aussetehenden DEM- und CHF-Anleihen entsprachen.

IBM sollte sodann die auf USD lautenden Zins- und Tilgungszahlungen der Weltbank übernehmen. Im Gegenzug übernahm die Weltbank die Zins- und Tilgungszahlungen auf die DEM- und CHF-Anleihen von IBM.

Durch die Swap-Vereinbarung leistete IBM ab sofort USD-Zahlungen auf eine USD-Anleihe, obwohl das Unternehmen sich seiner DEM- und CHF-Anleihen nicht entledigt hatte.

Die Weltbank hingegen hatte zwar entgegen ihrer ursprünglichen Intention USD-Anleihen begeben, leistete durch den Swap aber nur noch Zins- und Tilgungszahlungen in CHF und DEM.

Fazit

Der Nutzen eines Swaps besteht i.d.R. darin, dass man die ansonsten vertraglich nicht veränderbare Eigenschaften eines Darlehens (der Investmentbanker sagt in diesem Zusammenhang nicht Darlehen sondern spricht allgemeiner „Underlying“) beliebig modifizieren kann, ohne sich mit den ursprünglichen Darlehensgebern auseinandersetzen zu müssen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass ein solches Geschäft auch für alle Seiten eine Art „Gewinngarantie“ beinhaltet. Wie gesehen hatten IBM und Weltbank unterschiedliche Perspektiven auf denselben Sachverhalt (nämlich die Aufnahme von Verbindlichkeiten in verschiedenen Währungen): Bei IBM stand die Wechselkursentwicklung im Vordergrund, bei der Weltbank das Zinsniveau.

Da sämtliche Derivate immer bilaterale Verträge darstellen, kann es die viel beschworene „Win-Win-Situation“ per Definition niemals geben. Es muss also eine Partei gegeben haben, die mit dem Swap rückblickend einen Gewinn erwirtschaftet hat, und eine Partei, die spiegelbildlich in der ex-post Betrachtung einen entsprechenden Verlust eingefahren hat. Obwohl diese Transaktion tausende von Malen in Fallstudien der Finanzindustrie beschrieben und beworben wurde, habe ich bis heute nirgendwo erfahren können, welcher der zwei Kontrahenten letzten Endes als Verlierer und welcher als Gewinner aus dem Swap hervorgegangen ist.

Ausblick

Gleichwohl geistert gerade im akademischen Umfeld immer wieder die Behauptung herum, Swaps könnten einen Gewinn für beide Seiten zu produzieren. Dabei beruft man sich auf die Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile. Im nächsten Beitrag werde ich mich mit dieser Behauptung beschäftigen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Hobbykeller-Blog.