Token, Jetons und Chips

Wenn Sie auf der Kirmes mit einem Autoscooter fahren, nutzen Sie in der Regel spezielle Wertchips, die Sie zuvor beim Kassenhäuschen erworben haben. Wenn ich meinen Söhnen im Indoor Spielpark ein Eis kaufen will, muss ich zuerst an der Kasse rote und grüne Plastikmünzen kaufen, die ich dann am Kiosk als Zahlungsmittel verwenden kann. Oder im Casino, wenn Sie an den Roulette-Tisch wollen. Selbst hier müssen Sie sich zuvor allerlei bunte Plastikjetons kaufen.

Wir kennen sie schon lange unter anderem aus Vergnügungsparks, Casinos und Gemeinschaftswaschküchen. Chips, Token oder spezielle Coins, die wir zunächst gegen Euros oder andere, offizielle Valuten eintauschen, und mit denen wir danach in einem begrenzten Umfeld und Rahmen wie mit Geld bezahlen oder spielen können.

(Spiel)jetons in der virtuellen Welt: Virtuelle Zahlungsmittel

Doch es gibt diese Spieljetons nicht nur als real greifbares Plastik oder Metall, sondern seit geraumer Zeit auch virtuell. Denken Sie nur an diverse Online Spiele, für die Sie gegen Euros, Dollar oder andere, „richtige“ Währungen spezielle, virtuelle Währungen erwerben können. Mit diesen Punkten oder virtuellen Online-Dollars kaufen sich Gamer Spielcharakter, Immobilien, Waffen, Kampfflugzeuge und vieles mehr. Prominente Beispiele sind etwa World of Warcraft oder League of Legends, wo „WoW Token“ und „Riot Points“ gekauft werden können, um damit sogenannte in-game Käufe zu machen.

Virtuelle Zahlungsmittel sind übrigens nicht automatisch Crypto-Währungen. Das werden sie erst durch das Verwenden einer Blockchain zur Dokumentation. Viele der nun neu angebotenen Coins verwenden tatsächlich Blockchain Technologie, aber es gibt auch andere Register und Methoden.

Die Weiterentwicklung: Initial Coin Offerings. Kapitalaufnahme einmal anders

Eine interessante Weiterentwicklung dieser virtuellen, auf eine bestimmte Plattform beschränkten Währungen ist das „Initial Coin Offering“. Es macht sich seit einiger Zeit in den U.S.A. breit und scheint nun auch in Europa Fuß zu fassen. Ein Vorreiter ist hier die Schweiz. Dort werden aktuell beispielsweise sogenannte DIMCOINs in einem ICO angeboten, und vor wenigen Wochen wurden Aeternity Token per ICO an die Frau und den Mann gebracht.

Sie können sich ein ICO (Initial Coin Offering) als eine Art Börsengang vorstellen. Bloß ohne Börse und ohne Wertpapiere. Wohl aber mit dem Ziel des emittierenden Unternehmens, Geld aufzunehmen. Angeboten werden aber weder Anteilsscheine am Unternehmen noch Anleihen, sondern tatsächlich virtuelle Münzen (engl. „coins“).

Diese Coins werden von einer Internetplattform gegen offizielle Währungen zum Kauf angeboten. Meist läuft dies im Zuge einer Auktion ab, ganz ähnlich wie wir das von IPOs (Initial Public Offering oder Börsengang eines Unternehmens) oder einer Neuemission einer Anleihe kennen. Die Auktionen enden je nach Nachfrage unter Umständen bereits nach wenigen Minuten. Das Unternehmen, welches die „Coins“ angeboten hat, nimmt dadurch Kapital auf.

Investoren sind Gamer, Plattformnutzer und zunehmend Spekulanten

Doch warum möchte jemand seine Dollar, Euros oder Bitcoins gegen eine komplett neue, frisch geschaffene, virtuelle Währung eintauschen, die zudem nur sehr begrenzt verwendet werden kann?

Zum einen sind es klar die Nutzer der Plattform, die neue Token und Coins anbietet. Aber zunehmend auch Spekulanten. Denn Berichte über gigantische Wertsteigerungen quasi über Nacht von mehreren tausend Prozent wirken wie ein Magnet. Unter den Interessenten sind mittlerweile Hedgefunds, Alternative Investment Funds und sogar Pensionsfonds. Sie alle wollen teilhaben am neuen Reichtum der virtuellen Plattform Coins.

Dabei ist das Risiko nicht ohne. Denn noch fehlt eine Regulierung von ICOs, und so kommt es immer wieder vor, dass Coins, die für irgendwelche erst in Planung befindlichen Plattformen oder Produkte angeboten werden, auch schnell wieder ihren Wert verlieren, weil das Projekt eingestellt wurde.

Virutelle Coins als neue Asset-Klasse?

Damit entwickeln sich virutelle Coins zu einer neuen Assetklasse. Was zudem bedeutet, dass sich virtuelle in-game Währungen zunehmend auch weg von Games hin zu anderen Plattformen entwickeln. Serverspace und Datenleitungen sind weitere Beispiele, aber auch andere Anwendungen wie Punkte für Telekommunikationsdienstleistungen oder Vermittlungsleistungen sind denkbar.

Eigene Marktplätze für virtuelle Währungen

Für online Games gibt es sie bereits seit geraumer Zeit: Marktplätze wie beispielsweise Bank of WoW, VirWoX oder LindeX (für Second Life Lindens). Immer neue „Börsen“ für virtuelle Währungen aller Art schießen aus dem Boden. Viele von ihnen stehen im zwielichtigen Ruf, Geldwäsche und kriminelle Aktivitäten zu fördern, und manche der Plattformen verschwinden danach auch wieder.

Das Vorhandensein virtueller Marktplätze für die Coins und Tokens ist ein zentraler Faktor für das Funktionieren dieses neuen Marktes. Denn nur, wenn diese neuen Coins auch wieder in „echte“ Dollar oder Euro getauscht werden können, kann sich ein liquider Markt entwickeln. Zudem ist ein Zweitmarkt für Coins auch für Investoren und Spekulanten interessant, die bei einem ICO entweder nicht dabei sein konnten oder erst nachträglich auf den Zug einer bestimmten virtuellen Währung aufspringen wollen.

Ein Tummelplatz für Kriminelle und Geldwäscher?

Wie auch Bitcoin noch immer der Ruf nachhängt, nur von Kriminellen zur Geldwäsche verwendet zu werden, so stehen auch virtuelle Währungen immer mal wieder im Verdacht, unseriösen Zwecken zu dienen. Es mag durchaus sein, dass auch manch illegale Transaktion über diese Währungen läuft. Sich den Markt für virtuelle Währungen deshalb erst gar nicht ansehen zu wollen, würde aber in die falsche Richtung laufen. Denn zunehmend erhalten virtuelle Währungen Interesse aus der breiteren Investment Community.

Währung, Wertpapier oder gar nichts davon?

Eine wichtige Frage hingegen, die Investoren weit mehr beschäftigt als das Thema Geldwäsche (dieses Thema ist eher für Strafverfolger, Zoll und Staatsanwaltschaft interessant), ist die Frage nach der Legalität von ICOs. Ist es denn überhaupt erlaubt, einfach so ein initial coin offering, also eine „Spielgeld-Emission“ zu machen, und virtuelle Punkte gegen Geld an den Höchstbietenden zu verkaufen?

Diverse Gerichte haben beispielsweise in der Vergangenheit bestätigt, dass es sich bei Bitcoins nicht um eine Währung und damit nicht um Geld handelt. Somit gelten „Plattform-Punkte“ wohl auch nicht als Währung oder Geld, obwohl sie wie Geld verwendet werden können. Doch Wertpapiere dürften es auch keine sein.

Die Europäische Bankenaufsicht sieht virtuelle Währungen als „Virtuelle Darstellung von Werten“

Die EBA (Europäische Bankenaufsicht) hat bereits 2014 eine Stellungsnahme zu virtuellen Währungen herausgegeben. Darin definiert sie virtuelle Währungen als nicht von Zentralbanken herausgegebene und verwaltete, virtuelle Darstellung von Vermögenswerten.

Die Bafin stuft Komplementärwährungen nicht als Wertpapiere ein. Schließlich sind diese nicht frei an den Kapitalmärkten handelbar.

ICOs fallen in eine rechtliche Grauzone

Noch ist das Phänomen der Kapitalaufnahme über ICOs zu jung, und es fehlt die notwendige Regulierung. Zudem dürfte das Volumen noch nicht groß genug sein, um Handlungsbedarf bei den zuständigen Aufsichtsbehörden hervorzurufen. Somit fallen ICOs derzeit weltweit in eine gewisse Grauzone.

Wird ein Wertpapier, also etwa eine Aktie oder eine Schuldverschreibung, der breiten Öffentlichkeit zum Kauf angeboten, müssen umfangreiche Bedingungen erfüllt werden. Ein Prospekt muss geschrieben, Publizitätspflichten eingehalten und laufend berichtet werden. Bei ICOs ist das bisher nicht der Fall, und so können Unternehmen wohl aktuell noch ohne Vorschriften und Regeln massenweise Geld über Initial Coin Offerings einsammeln.