Pfandleiher gibt es schon seit Jahrtausenden. Sie geben dem Verzweifelten, der sich von sonst niemandem mehr Geld leihen kann, kleine, kurz laufende Kredite gegen physische Sicherheiten. Zahlt der Pfandgeber nicht rechtzeitig zurück, verwertet der Pfandleiher den Schmuck, das iPhone oder die Playstation. Das Geschäft ist lukrativ, denn die Kredite liegen immer deutlich unter dem Wert des Pfandgegenstandes.
Das System des Pfandleihers hat sich mit der Zeit ebenfalls angepasst. So haben sich spezielle Formen für spezielle Bedürfnisse entwickelt. In Macao etwa, dem Casino- und Glücksspielparadies der Chinesen, agieren Pfandleiher als inoffizielle Geldwechsler. Denn Festlandchinesen dürfen, damit sie nicht zu viel verspielen, nur eine begrenzte Summe an Geld mitbringen und im Casino umtauschen. Einkaufen auf Kreditkarte unterliegt hingegen keiner Grenze. Also kaufen sie teure Uhren und andere Luxusartikel, die zufällig vom selben Laden verkauft werden, der auch eine Pfandleihe betreibt. Umgehend versetzen sie die Uhr gegen Bargeld, und voilà, dem weiteren Glücksspiel steht nichts mehr im Wege.
So hat sich auch für besonders verzweifelte Akiengesellschaften eine eigene Variante der Pfandleihe entwickelt: Die sogenannte Todesspiralenfinanzierung für Penny Stocks.
Penny Stocks sind Aktien von Unternehmen, die es an keinen offiziellen Börsenplatz schaffen und die stattdessen an unregulierten und oft intransparenten Märkten gehandelt werden. Häufig handelt es sich um kleine Startups, abenteuerliche Ideen, um gefallene Sterne regulärer Märkte, aber auch Scheinfirmen kommen vor. Was sie gemeinsam haben: Sie stehen finanziell und fundamental meist schlecht bis sehr schlecht da. Die Aktienkurse sind volatil, bewegen sich im Centbereich und der Handelsumsatz und damit die Liquidität ist niedrig.
Steigt die Anzahl der gehandelten Aktien aus welchen Gründen auch immer an, wittern listige Geldgeber ihre Chance: Die Financiers der Todesspirale. Sie leihen dem verzweifelten Unternehmen Geld. Meist nicht besonders viel, oft nur um die 100.000 Euro. Da das Unternehmen von sonst niemandem mehr Geld geliehen bekommt und sich häufig in einer Notlage befindet, nimmt es das Kreditangebot an. Die Laufzeit ist meist sehr kurz, und das Unternehmen muss den Kredit bereits nach wenigen Wochen oder Monaten zurückzahlen. Die Verzinsung ist dabei meist gar nicht besonders hoch. Doch das Zahlungsziel ist viel zu nah, und so geraten die Unternehmen in Verzug. Sozusagen als Pfand für den Kredit haben die Unternehmen allerdings eigene Aktien hinterlegt. Dafür wird häufig kurz vor der Kreditaufnahme eine bedingte Kapitalerhöhung beschlossen. Im Kleingedruckten des Kredits ist zu lesen, dass der Financier bei nicht rechtzeitiger Rückzahlung des Kredits eine Option auf neue Aktien des Unternehmens ausüben kann, und zwar zu einem sehr deutlichen Abschlag zum jeweiligen aktuellen Marktpreis. Oft liegt dieser Discount 40% – 60% unter dem Börsenkurs. Der Financier übt seine Optionen nach und nach aus und verkauft die erhaltenen, neuen Aktien umgehend auf dem Markt. Durch den Discount verdient er selbst bei fallenden Preisen noch immer sehr gut.
Da die Option schrittweise ausgeübt werden kann und der Discount immer in Prozent zum dann jeweils gültigen Preis berechnet wird, stören den Financier fallende Kurse nicht, denn er hat kaum Risiko. Er erhält die neuen Aktien immer deutlich günstiger als der aktuelle Markt. Egal wie tief der Preis fällt, der Financier verkauft seine neuen Aktien immer teurer als er sie gegen seinen Kredit eingetauscht hat. Die Todesspirale für den Aktienkurs nimmt ihren Lauf.
Das klappt allerdings nur bei ausreichend Liquidität, also wenn immer wieder neue Käufer die Aktienpakete aufgreifen, die der Financier auf den Markt wirft. Deshalb arbeiten die Financiers nicht selten mit Call Centern und den Verfassern dubioser Börsenbriefe zusammen, oder sie springen auf den Zug anderer Betrüger auf, die den Kurs und das Handelsvolumen einzelner Penny Stocks in die Höhe treiben wollen. Diese Betrüger versuchen, ahnungslose Investoren mit abenteuerlichen Versprechungen und Prognosen in den Markt zu treiben. Schließlich lässt sich mit volatilen Penny Stocks manchmal auch ganz gut verdienen, und Gier und Spieltrieb sind gerade in diesem Segment stark vertreten.
Die Gewinnspanne der Todesspiralen Financiers ist übrigens ganz üppig. Laut einer Analyse der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC liegen die Gewinne bei diesen Kreditgeschäften bei durchschittlich 50% für den Financier.
Die Altaktionäre schauen bei diesem Kredit mit Aktienoption, den das Unternehmen aufgenommen hat, durch die Finger. Ihre Bestände sind verwässert, der Kurs im Keller, das Unternehmen durch den Kurzkredit häufig weder saniert noch irgendwie besser gestellt. Ist der Aktienkurs dann noch nicht ganz ins endlos Bodenlose gefallen, meldet sich bestimmt schon der nächste Todesspiralen Financier mit einem absolut tollen Kreditangebot, um das Unternehmen bestimmt dieses Mal aus der Krise zu retten.