Unter den großen Unternehmen der Finanzbranche ist es schon lange üblich. Kleinere scheuen noch die Kosten, springen aber nach und nach auf den Zug auf. Die Rede ist vom Einsatz ausgefeilter Überwachungssoftware. Denn vor allem die großen Investmentbanken fürchten ständig die Bedrohung von Innen, oder auf Englisch den Insider Threat.
Es geht um Mitarbeiterüberwachung, und hier noch exakter um die Analyse des Mitarbeiterverhaltens. So sollen untypische oder verdächtige Verhaltensweisen aufgedeckt werden. Den Unternehmen geht es um eine potenzielle und große Bedrohung, die bekämpft werden muss. Das Equivalent eines Edward Snowden wäre für jede Investmentbank ein Alptraum. Verborgenes soll verborgen bleiben und Betriebsgeheimnisse geheim.
Dutzende Unternehmen, klein und groß, bieten mittlerweile Lösungen an, wie verdächtiges Verhalten aufgedeckt werden kann. Sie entwickeln und verkaufen Software Tools und spezifische Beratungsleistungen. Die Kosten dafür können schwindelerregend hoch sein. Doch der Verrat durch einen Mitarbeiter könnte noch teurer kommen. Man denke hier nur einmal an die sogenannten Steuer-CDs mit Namen potenzieller Steuerhinterzieher, die in den letzten Jahren von ehemaligen Mitarbeitern großer Banken an Steuerbehörden verkauft wurden.
So werden dann also alle Mitarbeiter der jeweiligen Bank unter Generalverdacht gestellt. Über jeden einzelnen Mitarbeiter wird ein eigenes, computergestütztes Profil angelegt. Es werden je nach Paranoia des Unternehmens mehr oder weniger Daten gesammelt, und der Algorithmus berechnet automatisch ein typisches Verhalten für diesen Mitarbeiter. Entdeckt die Software nun eine Abweichung von der Normallinie, wird Alarm geschlagen. Die zuständige Abteilung wird daraufhin bestimmte Maßnahmen einleiten. Wie diese aussehen, und ob dem Mitarbeiter überhaupt gesagt wird, was ihm vorgeworfen wird, ist eine Ermessenssache des Unternehmens. Der Mitarbeiter hat keine Einsicht in die Art der über ihn gesammelten Daten, und auch nicht über die ihm zur Last gelegte Abweichung. Er oder sie kann sich dagegen im Grunde nicht wehren.
Der Mitarbeiter weiß im Grunde nicht einmal, was genau überwacht wird. Werden nur die Aktivitäten auf dem Computer aufgezeichnet, also welche Internetseiten jemand besucht, welche Daten er mit welchen Programmen abruft, zu welchen Uhrzeiten er oder sie wie lange seine privaten Emails bearbeitet, welche Wörter geschrieben werden und welche Texte empfangen, wie intensiv der Computer genutzt wird, und so weiter und so fort. Oder werden auch Bewegungsdaten mit erfasst, mit wem man wie lange in der Kaffeeküche steht, mit wem man zu Mittag isst, wie oft und wie lange man auf der Toilette verbringt und mit wem man sich gleichzeitig in bestimmten Räumen oder Fluren aufhält. Werden auch die Telefonate überwacht? Der Mitarbeiter wird darüber im Unklaren gelassen.
Nach Angabe einiger Software Anbieter für derartige Überwachungstools können die Systeme sogar viele Aktivitäten aufdecken, noch bevor diese ausgeführt werden. So erkennen die Algorithmen angeblich, wenn ein Mitarbeiter plant, das Unternehmen in Richtung der Konkurrenz zu verlassen. Manche Softwaretools werben sogar mit tiefenpsychologischen Vorhersagen, mit denen schädliches Verhalten bereits im Vorfeld vorhergesagt werden kann.
Wer jetzt denkt, so etwas kommt nur in den USA oder China vor, der irrt. Die Anbieter sind auch in Europa aktiv auf Kundenakquise und freuen sich über mehr und mehr Interesse für ihre Überwachungssysteme.