Immer wieder werden wir gefragt, warum die Preise für strukturierte Derivate von Anbieter zu Anbieter oft stark voneinander abweichen, obwohl die Preise für gewöhnliche Optionen und Plain Vanilla Swaps im Markt mittlerweile so gut wie ident sind. Der Hauptgrund liegt in der Verwendung unterschiedlicher Modelle, doch selbst dann, wenn zwei Marktteilnehmer das selbe Grundmodell anwenden, wie etwa das LIBOR Market Modell, können sich die Bewertungspreise deutlich unterscheiden.
Variablen ändern sich unterschiedlich stark
Exotische Derivate, also zum Beispiel CMS Swaps (Constant Maturity Swaps), In-Arrears Optionen und Swaps (die Höhe der Zahlung wird erst am Ende der Zinsperiode fixiert), bis hin zu hoch komplexen Kombinationen von Swaps, Caps, Floors, Optionen, Futures und ihren Abwandlungen, werden als Bausteine für die verschiedensten Finanzprodukte eingesetzt. Sie alle haben in der Regel gemein, dass die zu bewertenden Zahlungsströme keiner geraden Linie folgen, sondern einer wie auch immer gekrümmten Funktion. Das macht die Bewertung ausgesprochen schwierig, denn ändern sich die Variablen, die der Bewertung zugrunde liegen, so ändert sich das Ergebnis stets um einen anderen Wert. Die Finanzmathematik spricht hier von der Konvexität oder auch der zweiten Ableitung der Bewertungsfunktion.
Die Bestimmung der Konvexität ist schwierig
Ein sehr kritischer Punkt bei der Bewertung vieler Derivate wie etwa CMS Swaps (Constant Maturity Swaps) besteht genau darin, diese Konvexität korrekt zu bestimmen und zu berechnen. Das klingt einfach, ist aber ausgesprochen komplex. Denn die Konvexität, also die Krümmung der Bewertungsfunktion, wird gleich von mehreren Dingen beeinflusst. Bei einem CMS Swap wären das beispielsweise:
- Die Swapsätze entlang der gesamten Zinskurve
- Die Annuitäten, also die Zahlungsströme des Derivats
- Die Diskontierungszinssätze für die Zahlungsströme
- Die Kovarianz all dieser Variablen, also deren gegenseitige Abhängigkeiten und Beeinflussungen.
Um die Kovarianz der Variablen zu berechnen, benötigt man die Volatilitäten und Korrelationen sämtlicher Laufzeitpunkte der Zinskurve. Derivatehändler verwenden dazu die impliziten Volas und Korrelationen. Diese werden aus gehandelten Derivaten wie Caps, Swaptions und CMS Spread Optionen rückgerechnet.
Volatilitäten und Korrelationen ändern sich laufend
Erschwert wird die Sache dadurch, dass sich die Volatilitäten und Korrelationen an jedem Punkt entlang der Zinskurve unterschiedlich stark ändern können, also auch sie keiner geraden sondern einer gebogenen Linie folgen. Man nennt dieses Verhalten, dass Volas an jedem Laufzeitpunkt einen anderen Wert besitzen, auch die „Volatility Term Structure“, was so viel bedeutet wie die Volatilitätskurvenerwartungsstruktur. In der Praxis wird dafür meist ein Volatiltätswürfel zur Bewertung konstruiert.
Viele Bewertungsmodelle verwenden Annäherungen und Vereinfachungen
Die Konvexität korrekt zu berechnen ist also eine große Herausforderung, und tatsächlich geben sich viele herkömmliche Bewertungsmodelle für Derivate mit Annäherungen und Vereinfachungen zufrieden. Werden etwa Bewetungsmodelle, die ansonsten für gewöhnliche Plain Vanilla Zinsswaps verwendet werden, auch für die Bewertung von CMS (Constant Maturity Swaps) herangezogen, werden sämtliche Volatiltiäten und Korrelationen nur auf einen Punkt der Zinskurve bezogen. Die Konvexität der Vola und Korrelation wird in einem gewöhnlichen Plain Vanilla Modell also gar nicht erst berücksichtigt. Der Händler, dem nur ein solches Modell zur Verfügung steht, wird sich mit einem Risikoaufschlag behelfen, den er anhand von Marktdaten oder Erfahrungswerten mehr oder weniger gut abschätzt.
Das LIBOR Market Modell und seine Anpassungen
Die meisten Marktteilnehmer verwenden deshalb für die Bewertung von CMS Swaps das LIBOR Market Modell, das die Volatilitäten und Korrelationen rund um den at-the-money Bereich der Zinskurve ganz gut einschätzt. Allerdings werden der sogenannte Smile (die Krümmung) und die Skew (Schräglage) der impliziten Volatilitäten umso ungenauer, je weiter man sich in Richtung in-the-money oder out-of-the-money bewegt. Auch hier müssen Derivatehändler wieder Anpassungen („Adjustments“) vornehmen, und dafür hat jeder seinen eigenen „Trick“, vom Durchschnitt der Black Preise mehrerer impliziter Volatiltiäten bis hin zu Monte-Carlo-Simulationen für die Verteilungsfunktionen.
Sehr hohe und sehr tiefe Strikes sind ein Problem
Problematisch wird es bei den meisten Modellen immer dann, wenn es um sehr hohe oder sehr niedrige Strikes geht, die am Rand der Verteilung liegen, und die nur zu leicht zu Fehlbewertungen führen können. Die Verwendung der Libor-OIS Basis – heute quasi Marktstandard – verkompliziert die Sache nochmals, denn auch die Libor-OIS-Basis-Kurve unterliegt ihren eigenen, nicht-linearen Volatilitäten und Korrelationen.
Lange in die Zukunft verschobene Zahlungen machen es schwierig
Ein weiterer Faktor, der sehr schnell einen großen Einfluss auf das Modell und damit den Preis nehmen kann, ist der Zeitpunkt der Zahlungsströme. Je weiter in die Zukunft Zahlungen verschoben werden, etwa bei „Deferred Payment Options“, In-Arrears Swaps oder bei Bonus-Optionen, desto stärker wird der Einfluss der Konvexität auf das Bewertungsergebnis. Bereits wenige Ungenauigkeiten in der Bestimmung der Verteilung, der Konvexitität, von Smile und Skew der Volatiltät, sowie der Korrelationen verändern das Endergebnis.
Andere Modelle, andere Parameter, andere Preise
Wie man also sieht, hat das jeweils gewählte Bewertungsmodell einen großen Einfluss auf das Ergebnis, und sämtliche Risikokennzahlen können bereits durch geringe Anpassungen und Veränderungen der Parameter beeinflusst werden. Je weiter aus dem Geld der gesuchte Strike, und je weiter in die Zukunft verschoben die Zahlungsströme, desto ungenauer werden die meisten Modelle, und desto weiter werden die Quotes, die man für ein solches Produkt erhält, auseinander liegen.