„Mit uns können Sie nie mehr als Ihren Einsatz verlieren!“
„Mit unserem XXX x5 Daily Short können Sie an der fünffachen, täglichen Wertentwicklung des XXX Index partizipieren, ohne jemals mehr als Ihren Kapitaleinsatz zu verlieren!“ Mit diesen Worten wirbt eine große, französische Investmentbank für eine Exchange Traded Note auf einen großen Aktienindex. In der gleichen Liste befinden sich auch dreifach und fünffach gehebelte Short-Produkte auf Öl, Erdgas, Gold und Silber, das Währungspaar Euro-USDollar sowie einige weitere Aktienindizes. Der Investor gewinnt, wenn der Index oder der entsprechende Basiswert im Wert fällt. Und das nicht nur im Verhältnis 1:1, sondern in unserem Beispiel gleich fünffach gehebelt. Im Gegenzug heißt das aber auch, dass der Investor bei steigenden Kursen entsprechend viel verliert. Und das täglich! Der Auf- und Abstieg kann rasant erfolgen! Dass man nie mehr als den Einsatz verlieren kann, ist eine interessante Formulierung. Besser sollte es heißen: „Ihr gesamtes Geld kann im Nu weg sein!“
Daily Short (aber auch Long) Produkte können ihren Wert rasch ändern
Sie denken das ist unwahrscheinlich? Absolut nicht! Dass die Talfahrt rasant im tiefsten Keller enden kann, haben erst im Februar diesen Jahres die Anleger einer Exchange Traded Note der Credit Suisse erfahren. Die VelocityShares Daily Inverse VIX Short Term Exchange Traded Notes setzten ebenfalls auf fallende Werte, in ihrem Fall auf fallende Volatilität. Als es plötzlich mit der Volatilität und damit dem VIX Index rasant nach oben ging, verloren die Notes binnen eines Tages so gut wie ihren gesamten Wert. Der Handel wurde eingestellt und die Papiere vom Markt genommen. Das Geld war weg. Dabei hatten sich die Anleger in den Jahren zuvor über satte Gewinne gefreut. Ihr Kapital hatte sich je nach Einstiegszeitpunkt gleich mehrfach verdoppelt. Vor dem rasanten Ende betrug der Wert der Notes atemberaubende 1,6 Milliarden US-Dollar.
Doch gerade bei täglichen ETPs – vor allem wenn diese zusätzlich noch gehebelt sind – wirken sich schon kleine Veränderungen stark aus. So schnell es nach oben gehen kann, so rasant kann auch die Talfahrt werden. Gerade für Kleinanleger ist das erstens schwer vorherzusehen, und zweitens können sie meist nicht schnell genug reagieren.
Der anhaltende Boom der ETPs
Exchange Traded Products (ETPs), zu denen Exchange Traded Notes (ETNs), Exchange Traded Funds (ETFs) und Exchange Traded Commodities (ETCs) zählen, sind seit Jahren die beliebtesten Anlageprodukte für Privatanleger aber auch zunehmend institutionelle Investoren. Klare Strukturen, vergleichsweise geringe Kosten, und dazu die Überzeugung, dass ohnedies niemand auf Dauer „den Markt“ outperformen kann, haben ETPs zum Geldmagneten gemacht. Auf diesen Zug springen deshalb auch immer mehr Banken auf, deren bisherige Expertise mit das Financial Engineering war. Sie kennen sich bestens aus, wie mithilfe von Finanzderivaten strukturierte Produkte gezaubert werden können. Immer häufiger setzen sie ihre Künste nun auch bei ETPs ein. Angeboten wird, was sich verkauft.
Short ETPs für Pessimisten
Die klassischen Exchange Traded Funds und Exchange Traded Notes setzen auf steigende Kurse. Sie partizipieren in der Regel 1:1 am jeweiligen Index oder Basiswert, den sie nachbilden. Steigt etwa der DAX im Wert, so steigen auch Exchange Traded Products, die auf den DAX referenzieren, im Wert. Doch da man Anleihen und Fonds in der Regel schwer short gehen kann, helfen diese Produkte wenig, wenn ein Investor von fallenden Kursen ausgeht. Für diese gibt es immer mehr Short Produkte. Sie profitieren nicht von steigenden Kursen, sondern setzen genau auf das Gegenteil. Interessanterweise werden viele dieser Short-Produkte zusätzlich gehebelt angeboten. Den Anlegern kann es scheinbar gar nicht schnell genug nach unten gehen mit dem Markt.
Konstruktion über Derivate
Bereits klassische Exchange Traded Products, die auf steigende Werte setzen, werden häufig über Total Return Swaps abgebildet. Sie könnten aber genau so gut über einen physischen Kauf der jeweiligen Aktien aus dem Index, von physischem Gold, der Währung oder jedem anderen Basiswert gestaltet werden.
Bei ETPs, die auf fallende Kurse setzen, ist die Konstruktion über den Basiswert selbst nicht praktikabel. Sie werden standardmäßig über Derivate gestaltet. Verwendet werden klassischerweise Futures und Total Return Swaps. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die Positionen regelmäßig angepasst werden müssen. Im Fall von täglich wertgestellten „Daily“ Short ETPs muss der Nominalbetrag des zugrunde liegenden Hedges sogar täglich angepasst werden. Denn sinkt der Wert des Referenzwertes, so steigen die Papiere im Wert, und der Nominalbetrag des Swaps muss erhöht beziehungsweise mehr Futures müssen verkauft werden. Steigt der Referenzindex im Wert, verliert das Short ETP, und der dagegen stehende Hedge muss in die andere Richtung adaptiert werden. Das ist erstens mit Transaktionskosten verbunden, und zweitens macht es die Sache auch etwas ungenau. Die Nachbildung ist deshalb nie 100% exakt. Schließlich lässt sich ein Future nur in festgelegten Kontraktgrößen und Spezifikationen handeln. Bei Swaps sind die Kosten ein wichtiger Faktor, denn jede Veränderung in Form einer Aufstockung oder einer Teilauflösung muss bezahlt werden. So kann es im Extremfall so gar vorkommen, dass aufgrund der Kosten das Produkt trotzdem an Wert verliert, auch wenn der Index gefallen ist.
Risiko der täglichen Betrachtung
Durch die tägliche Anpassung kommt es zu einem ähnlichen Phänomen wie beim Zinseszinseffekt. Die Entwicklung des vorangegangenen Tages beeinflusst den Wert durch die Entwicklung des nächsten Tages, und so fort. So kommt es, dass bei täglicher Betrachtung die Wertentwicklung eine andere ist, als würde man die Wertentwicklung über einen längeren Zeitraum beobachten. Und kommt auch noch ein Hebel ins Spiel, also die Verwendung eines Vielfachen der Veränderung im Basiswert, so verstärkt sich dieser Effekt nochmals erheblich.
Auch Short Produkte haben ihren Platz
Die Entwicklung von Short ETPs ist durchaus interessant. Schließlich können so auch Anleger, die nicht direkt am Handel mit Derivaten teilnehmen können, von fallenden Märkten profitieren. Ob man das gleich in gehebelter Form machen muss, sei dahin gestellt. Die Nachfrage danach scheint offensichtlich vorhanden, ansonsten würden Banken, denen es um den Verkauf von möglichst vielen erfolgreichen Produkten geht, diese nicht in einer solch großen Zahl anbieten.