BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Berater zu Zinsswaps, Finanzderivaten und strukturierten BondsInvestoren lesen sie gerne. Banken und Ratingagenturen erstellen sie regelmäßig. Immer mehr unabhängige Institute bieten sie an. Die Rede ist von Analysen und Prognosen zum Kapitalmarkt, der Wirtschaft und vor allem einzelnen Wertpapieren und Aktiengesellschaften. Aber wie ist deren Treffsicherheit? Stimmen die Vorhersagen?

Eine sehr interessante Studie, die im September 2015 im Financial Analysts Journal veröffentlicht wurde, beschäftigt sich mit der Frage, ob sich die Treffsicherheit von Analystenprognosen in den vergangenen 20 Jahren erhöht hat.

Unter dem Titel „Did Analyst Forecast Accuracy and Dispersion Improve after 2002 Following the Increase in Regulation?“ untersuchen die drei Wissenschaftler Hassan, Pouran und Reza Espahbodi, ob die Gewinnprognosen von Analysten zwischen 2003 und 2013 genauer geworden sind.

Die Untersuchung legt ihren Schwerpunkt auf die Auswirkungen von Regulierung, kann aber auch abgelöst davon gelesen werden. Der Fokus auf neue Regelungen und Vorschriften ergibt sich aus der Finanzkrise im Jahr 2000. Der ein oder andere Marktteilnehmer wird sich noch dunkel daran erinnern, dass im Zuge der DotCom Blase sowie Skandalen rund um Unternehmen wie Enron der Berufsstand der Analysten nach dem Jahr 2000 stark in Verruf geraten war. Von Interessenskonflikten bei Investmentbanken, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfern war die Rede, sowie von absichtlich manipulierten Analystenreports, mit welcher Banken, Ratingagenturen aber auch die Unternehmen selbst arglose Investoren in den Abgrund führten.

Nach den Skandalen rund um das Jahr 2000 hat sich für Analysten viel geändert. In den großen Investmentbanken sitzen sie jetzt nicht mehr direkt neben den Investmentbankern, und Unternehmen dürfen die Reports über sich nicht mehr vorab redigieren. Die Disclaimer unter den Research Reports sind zudem sehr umfangreich geworden und können in manchen Fällen durchaus auch länger sein als die eigentliche Analyse oder das Update. Man möchte also denken, alles ist besser geworden.

Interessanterweise kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Prognosesicherheit über die letzten 20 Jahre sogar abgenommen hat! Die Vorhersagen sind also schlechter geworden!

Einmal abgesehen von den Auswirkungen von Regulierungsmaßnahmen und rechtlichen Rahmenbedingungen, würde man doch meinen, dass Prognosen heute besser sein müssten als früher. Schließlich stehen heute so viel mehr Informationen zur Verfügung. Big Data ist das Modewort des Jahrzehnts. Wir leben in einer unglaublich vernetzten und informierten Welt, in der jeder sehr einfach und kostengünstig mit einem einzigen Mausklick an Trilliarden von aktuellen Daten gelangen kann. Dazu kommt die zunehmende Geschwindigkeit, mit der Daten durch weltweite Glasfaserkabel laufen. Die Verfügbarkeit von Rechenleistung kommt zusätzlich hinzu. Auswertungen werden heute per programmierter Algorithmen in Rekordzeit bewältigt.

Woran liegt es also, dass Analysten, die sicherlich grundsätzlich die Motivation haben, richtige Vorhersagen zu treffen, heute öfter falsch liegen als noch vor 20 Jahren? Ist es nicht ein Widerspruch in sich, dass wir heute, wo alle so informiert sind, weniger Treffsicherheit bei Prognosen sehen?

Über die richtige Antwort kann nur spekuliert werden. Möglicherweise liegt es gerade an Big Data und den neuen Algorithmen, auf die wir uns heute so sehr verlassen. Möglicherweise war die fundamentale Analyse, dazu mehr Zeit für den Analysten, zusammen mit den engen Beziehungen zwischen Analysten, Unternehmen und Bankern vor 20 Jahren ein wichtiger Baustein für die korrekte Analyse von Firmen und Wertpapieren. Vielleicht verraten die Daten doch nicht immer alles. Und somit gilt weiterhin, dass Prognosen eben nur Prognosen sind, ein Blick in die Kristallkugel sozusagen, die Wirklichkeit aber anders aussehen kann.