BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Experten für Swaps, Zinsderivate und strukturierte AnleihenUnter EMIR (European Market Infrastructure Regulation) müssen voraussichtlich ab 2016 schrittweise viele standardisierte Zinsswaps zentral abgewickelt werden. Eine zentrale Gegenpartei (Central Counterparty oder kurz CCP) steht dann zwischen den Gegenparteien und sichert das Aufallsrisiko ab. Das hat die Europäische Kommission im August 2015 beschlossen. Dadurch soll das Finanzsystem stabiler werden und Derivate, denen ein Großteil der Schuld an der Finanzmarktkrise von 2008 gegeben wurde, sollen dadurch besser kontrolliert und reguliert werden können.

Das Ganze geht auf einen Beschluss der G20 Staaten aus 2009 zurück, wo sich die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen darauf geeinigt haben, die Finanzmärkte sicherer und transparenter zu gestalten. Derivate und deren Kontrolle spielten dabei eine wichtige Rolle.

Unter die ab 2016 unter EMIR beginnenden, zwingenden Clearingvorschriften fallen zunächst standardisierte Zinsderivate in Euro, Sterling, Yen und US-Dollar, die in der Europäischen Union gehandelt werden. Das sind:

  1. Plain Vanilla Zinsswap (Fix-to-Float Interest Rate Swaps)
  2. Basisswaps (Float-to-Float Swaps)
  3. Forward Rate Agreements (FRAs)
  4. Overnight Index Swaps (also etwa Eonia Swaps)

Als Hauptgrund nennt die Europäische Kommission, dass nach ihren Schätzungen jeden Tag im Schnitt Zinsderivate mit einem Nominal von 1,5 Milliarden Euro in den betroffenen Zinsderivaten gehandelt werden. Diese Zahl sagt zwar für sich nichts aus, da der Nominalbetrag bei Zinsderivaten für sich allein gesehen herzlich wenig über das eingegangene Risiko aussagt. Aber für die Kommission ist es ein Zeichen dafür, dass der Markt für Zinsderivate sowohl groß als auch für die Finanzwirtschaft sehr wichtig ist.

Doch das zentrale Clearing kommt nicht kostenlos. Denn das Clearing über ein eigenes Clearinghaus hat seinen Preis. Als direktes Clearing Mitglied qualifizieren sich übrigens nur große Banken und Brokerhäuser, denn die Auflagen sind groß, um als Mitglied überhaupt akzeptiert zu werden.

So verlangt etwa das London Clearing House für SwapClear von seinen Clearing Mitgliedern erstmal eine Jahresgebühr von 250.000 Dollar. Dazu müssen alle Mitglieder in einen Ausfallsfonds einzahlen. Je nach Produktgruppe sind unterschiedliche Beträge fällig. Für Zinsswaps unter SwapClear sind das 10 Mio Britische Pfund Minimum plus nochmals mindestens 3 Mio Britische Pfund variable Sicherheiten. Dann fallen noch für jedes abgewickelte Geschäft Gebühren an, die sich an der Laufzeit und dem Nominalbetrag orientieren, sowie laufende Buchführungsgebühren pro Swap, die jährlich pro bestehendem Geschäft abgebucht werden.

Das gilt erstmal für die Clearing Mitglieder selbst. Kleinere Banken, Unternehmen und andere Nutzer von Swaps müssen sich an eines dieser Mitglieder anhängen und mit diesem eigene Verträge, Sicherheiten und Preise aushandeln. Dadurch wird die kleinere Bank in gewisser Weise abhängig vom Clearing Mitglied. Sämtliche Informationen über die laufenden und bestehenden Geschäfte müssen der großen Bank, an die man sich angedockt hat, mitgeteilt werden. Wer dort auf die Informationen zugreifen kann, sollte zwar geregelt sein, aber gibt es dafür tatsächlich eine Garantie? Zudem müssen Verträge wie Collateral Agreements und Besicherungsanhänge auf das neue zentrale Clearing zugeschnitten werden.

Stehen Kosten und Aufwand also im korrekten Verhältnis zum Nutzen des zentralen Clearings? Auch bisher waren Geschäfte mit Zinsderivaten, die OTC gehandelt wurden, zu einem überwiegenden Prozentsatz über Collateral besichert. Im Konkursfall hätte also eine Gegenpartei sehr schnell auf das Collateral zurückgreifen können. Zudem haben die meisten Geschäfte sogenannte „Break Clauses“ in ihren Verträgen vereinbart, die eine zusätzliche Komponente zur vorzeitigen Auflösung im Fall sinkender Bonität geboten hätte. Wird durch die CCP (Zentrale Gegenpartei) denn nun die Welt der Zinsderivate so viel sicherer? Wer garantiert, dass die CCP nicht ausfallen kann? Und wer trägt am Ende die Kosten für die zusätzliche Bürokratie, die geschaffen wurde?

Die bisherigen Kosten für Middle- und Backoffice sowie Collateral Management fallen übrigens weiterhin an. Denn die bisherigen Systeme müssen weiterhin aufrecht erhalten werden, da eine Vielzahl von Zinsderivaten bisher nicht zentral gecleared werden kann. Dazu zählen Swaps mit sich verändernden Nominalbeträgen, wie sie bei Swaps zur Kreditabsicherung meist Standard ist. Sämtliche Swaps mit Optionskomponenten können von den zentralen Clearing Anbietern derzeit nicht gecleared werden, und auch keine Cross Currency Swaps sowie Swaps, deren zukünftiger Nominalbetrag zum Handelszeitpunkt nicht bestimmt ist.

Ein klarer Vorteil des zentralen Clearings liegt allerdings gerade im Zuge der Bankenregulierung für viele große Institute auf der Hand. Der Nettingeffekt von Derivaten kann durch eine zentrale Gegenpartei über viele Adressen gezogen werden und entlastet für große Institute, die mit einer Vielzahl an Kontrahenten Geschäfte abschließen, die Eigenkapitalbelastung entsprechend. Für kleinere Banken und Unternehmen hingegen, die meist nur eine überschaubare Zahl an Geschäftspartnern haben, ist dieser Effekt weniger relevant. Die Großen haben durch diesen Nettingeffekt ein Interesse, möglichst alle Handelspartner möglichst rasch auf die Clearing Plattform zu bringen.

Für die großen Interbank Adressen gibt es noch einen zusätzlichen Vorteil. Sie können durch die zentrale Sammlung aller Swaps einfacher multilaterale Compression Trades zur Risikoreduktion durchführen. Das wiederum entlastet die Risk Weighted Assets der Bank und trägt zu einer Kostenersparnis bei.

Für die Regulierungsbehörden ergibt sich durch das zentrale Clearing eine bessere Kontrolle und Übersicht, welche Geschäfte in welchem Volumen gemacht werden. Ob diese neue Datenflut etwas bewirkt und die Zahlen risikomäßig von den Behörden auch richtig gedeutet werden können, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Man denke nur daran, dass vielfach noch immer unsinnigerweise der Nominalbetrag für Zinsswaps als Risikomaß von vielen Entscheidungsträgern in der Politik herangezogen wird.