Willkommen zu einem Beitrag unserer Serie „Regulierung einfach erklärt“. Heute geht es um Solvency II.

Solvency II betrifft Versicherungen

Solvency II, oder auf Deutsch auch gerne mal „Solvabilität II“ genannt, ist eine europäische Richtlinie für Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen. Die Richtlinie, die am 1. Januar 2016 ihre Vorgängerin Solvency I abgelöst hat, setzt einen sehr umfangreichen Rahmen darüber, woran sich Versicherungsunternehmen in der EU bei ihren Geschäften zu halten haben.

Solvency II für EU-weit einheitliche Regeln

Das Ziel von Solvency II ist, erstmalig einen europäischen Versicherungsmarkt mit einheitlichen Vorschriften zu schaffen. Das war alles andere als leicht, da bis dahin in jedem Mitgliedsland andere Vorschriften und Gesetze galten. Solvency II ist damit ein riesiger Meilenstein für den Binnenmarkt.

Die Ausnahme: Sehr kleine Versicherungen

Hat ein Versicherungsunternehmen unter anderem Bruttoprämieneinnahmen von unter 5 Mio €, so muss es sich nicht an die Vorschriften von Solvency II halten. Allerdings ist es dann auch nicht automatisch zum Betrieb in der gesamten EU zugelassen. Wollen diese kleinen Versicherungsunternehmen trotzdem EU-weit tätig werden, müssen sie sich Solvency II freiwillig unterwerfen und ihre Zulassung danach beantragen.

Das heißt übrigens nicht, dass für diese kleinen Versicherungsunternehmen keinerlei Vorschriften gelten! Allerdings sind diese dann auf Ebene des Mitgliedslandes geregelt, und nicht EU-weit durch die Solvency II. Der Grund liegt schlicht darin, dass sehr kleine Versicherer, die gar nicht EU-weit tätig sein können oder wollen, durch die umfrangreichen Anforderungen von Solvency II nicht über die Maßen belastet werden sollten.

In Kraft seit 1. Januar 2016

In Kraft getreten ist Solvency II zwar erst im Jahr 2016. Beschlossen wurde es allerdings schon am 25. November 2009. Es folgte eine sehr lange Übergangsfrist, in der sich Versicherungsunternehmen langsam auf die neuen und umfassenden Regelungen vorbereiten konnten. Denn von Solvency I zu Solvency II war es ein großer Schritt. Es wurden dabei sämtliche Richtlinien und Vorschriften bis zurück ins Jahr 1973 angefasst, verändert und unter einen Hut gebracht. Unter anderen wurde das komplette Risikomanagementsystem für Versicherungen überarbeitet.

Das Herz von Solvency II: Risikomanagement

Versicherungsunternehmen haben je nach ihrer Sparte sehr lange Verbindlichkeiten und sind hohen Risiken ausgesetzt. Schließlich geht es bei Versicherungen um das Management von Risiken unterschiedlichster Arten, deren Voraussage, Berechnung und entsprechender Bewertung. In den Bilanzen der Versicherer und Rückversicherer schlummern deshalb sowohl auf der Aktiv- als auch der Passivseite gigantische Positionen. Das ist grundsätzlich nicht verwerflich, da das Vorhandensein von Risiko der Grund ist, warum es Versicherungen überhaupt gibt. Was bisher aber fehlte, war eine einheitliche Leitlinie, wie diese Risiken innerhalb des Versicherungsunternehmens behandelt werden sollten. Denn eine stabile Versicherungsbranche ist nicht nur im allgemeinen Interesse der Finanzindustrie, sondern im Interesse jedes einzelnen Versicherten. Einheitliche Vorschriften sind zudem für einen fairen Wettbewerb der Unternehmen untereinander sowie eine Vergleichbarkeit und Sicherheit für den Versicherungsnehmer notwendig.

Genau diesen einheitlichen Rahmen für ein transparentes und risikoadjustiertes Management schafft Solvency II.

Die drei Säulen von Solvency II

Oft wird von den drei Säulen gesprochen. Damit ist die thematische Teilung der Solvency II Verordnung in folgende Bereiche gemeint:

  1. Säule: Quantitativer Bereich mit Kapitalanforderungen, Berechnungsformeln und technischen Vorschriften
  2. Säule: Qualitativer Bereich mit internen und externen Kontrollen, Aufbau des Risikomanagements, Unternehmensorganisation und ethische Standards
  3. Säule: Berichtswesen an die Öffentlichkeit und die Aufsichtsbehörden

Dem Risiko muss ein entsprechendes Kapital entgegen stehen

Bei einer Versicherung kann ein Schaden eintreten. Die Lebensversicherung hat einen Todesfall, die Autoversicherung einen Unfallschaden bei einem Fahrzeug, und die Gebäudeversicherung muss einen Sturmschaden begleichen. Damit die Versicherung auch entsprechend leisten kann, muss sie vorsorgen. Entweder, indem sie sich selbst bei einem Rückversicherer versichert, oder durch das Bereithalten von Kapital in Form von Geld, Wertpapieren oder anderen Anlagen. Solvency II enthält genau darüber exakte Vorschriften.

Solvency II schreibt den Versicherungen darin vor, wieviel Mindestkapital sie halten müssen, und wie viel Solvenzkapital. Sinkt das vorgehaltene Kapital unter das Mindestkapital, verliert das Versicherungsunternehmen seine Zulassung. Das Solvenzkapital ist ein zusätzlicher Puffer, der unerwartet hohe Verluste ausgleichen soll.

Dafür muss das vorhandene Risiko einheitlich über alle Versicherungsunternehmen mit Zahlen bewertet werden. Und auch das Kapital selbst wird bewertet, denn häufig ist es in Form von Anleihen, Aktien oder gar Immobilien und Alternativen Investments angelegt. Solvency II gibt dafür die Formeln und Berechnungsmodelle vor.

Überwacht wird die Einhaltung in den Herkunftsmitgliedsstaaten

Die Versicherungsunternehmen werden dort überwacht, wo auch ihr Hauptsitz innerhalb der EU ist. Die Aufsichtsbehörden prüfen die Unternehmen regelmäßig und führen Bewertungen durch.

Die technischen Informationen legt die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung fest, die EIOPA.

Fazit: Mehr Sicherheit durch mehr Transparenz und Vereinheitlichung

Der Vorteil für Versicherungsnehmer liegt auf der Hand: Mehr Sicherheit, mehr Konkurrenz und mehr Transparenz.

Für Versicherungsunternehmen ist die Umsetzung aller Vorschriften aus Solvency II erstmal sehr umfangreich und damit teuer. Sie müssen möglicherweise mehr Eigenkapital vorhalten, manche Assets konservativer und Risiken unter Umständen höher bewerten. Auf der anderen Seiten haben die Unternehmen durch Solvency II einen einfacheren und besseren Zugang zum gesamten, europäischen Markt erhalten. Dadurch lassen sich Risiken besser streuen und neue Geschäftspotenziale eröffnen.

Für den Binnenmarkt ist Solvency II ein wichtiger Baustein, der viele Einzelvorschriften zu einer Einheit zusammenfasst und den Markt ingesamt qualitativ verbessert hat.

 

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