Die menschenleere Fabrik ist schon Realität

Vor wenigen Tagen besichtigte ich ein modernes Gaskraftwerk. So ausgefeilt die Technik auch sein mag, die Besichtigung war weniger spektakulär als erwartet. Außer dem Pförtner und unserem Guide trafen wir auf keine Menschenseele. Selbst die große Halle mit den Turbinen war menschenleer. Das Kraftwerk arbeitete komplett automatisiert und von alleine. In einem Kontrollraum saßen dann noch drei oder vier Männer, die gelangweilt inmitten vieler Monitore saßen. Von hier aus überwachten sie nicht nur dieses Kraftwerk, sondern gleich noch einige weitere mit, sowie das Leitungsnetz. Das komplette Gelände glich eher einer Geisterstadt als einem aktiven Industriegelände, das für die Versorgung von einer Million Menschen zuständig ist.

Roboterisierung greift auf den Service Sektor über

Dass die Roboterisierung und Automatisierung in der Produktion, Fertigung und Industrie Einzug gehalten hat, ist mittlerweile jedem bekannt. Roboter setzen Autos zusammen, fertigen aus flüssigem Aluminium lange Spulen und stanzen automatisch Schrauben, Werkzeuge und andere Teile aus Stahlplatten. Menschen werden immer rarer in den Fabrikshallen unserer Welt. In der Landwirtschaft fahren Traktoren GPS-gesteuert von quasi alleine über die Felder und schaffen es, Saatrillen millimetergenau Spur an Spur zu reihen.

Doch die Roboterisierung setzt nun über von der Produktion in den Servicebereich. Denken Sie nur an autonomes Fahren. Schon heute fahren viele Bahnen führerlos. In wenigen Jahren wird das autonome Fahren auch die Straßen wie selbstverständlich erreicht haben und nach und nach Kraftfahrer, Busfahrer, Straßenbahnfahrer, Taxilenker und viele weitere Berufe ersetzen. Selbst der Bauer unseres Traktors von oben muss bald nicht mehr selbst mit einsteigen.

Autonomes Fahren, Pflegeroboter und Roboterärzte

Unsere Welt verändert sich derzeit rasant, und damit unser Leben. Die Roboterisierung wird nicht nur menschliche Fahrzeugführer ersetzen, sondern auch in die akademischen Berufe vordringen. Es gibt bereits funktionierende Apps, die Hautkrebs erkennen können. In ersten Versuchen werden Roboter in der Pflege eingesetzt, als Unterstützung für Behinderte, im Krankenhaus und im Altenheim. Haushaltshilfen wie Saug- und Mähroboter gehören heute bereits zum selbstverständlichen Alltag. Und mal ehrlich, suchen Sie im Urlaub noch die freundlichen Damen und Herren der Tourismusinfo auf, oder fragen Sie doch lieber mal schnell Alexa, Siri und Okay Google nach dem Weg oder den Infos zur Sehenswürdigkeit, vor der Sie gerade stehen? Beispiele gibt es selbst heute schon viele, denken Sie nur an Selbst-Checkout-Kassen im Supermarkt oder automatisierte Lagerhäuser.

Algorithmen ersetzen bald Rechts- und Finanzberatung

Durch AI (artificial intelligence oder selbstlernende Algorithmen) werden auch Dinge wie Rechtsberatung und nach und nach auch Finanzberatung durch Apps ersetzt. Erste Ansätze sehen wir schon heute. Das sind übrigens nicht nur die sogenannten Robo-Advisors, die Ihnen nach der Beantwortung einiger allgemeiner Fragen ein ETF-Portfolio schnüren, sondern selbst sehr grundlegende Dinge wie die Arbeit von Analysten.

Noch vor zehn Jahren beschäftigten alle großen Banken, Broker und Versicherungen eine kleine Armee an Datenanalysten. Sie durchforsteten Bilanzen von Unternehmen, analysierten volkswirtschaftliche Kennzahlen, lasen sich durch Berichte, Prospekte und Dokumente, um daraus Trends und wichtige Kennziffern abzuleiten. Zugegeben, vor 10 Jahren saßen diese Datenanalysten bereits in Ländern wie Indien. Und heute? Heute haben Algorithmen die Analyse dieser Daten übernommen. Die Anzahl der „einfachen“ Analysten im Finanzbereich schrumpft nach und nach zusammen.

Algorithmen statt Analysten, elektronischer Handel und AI

Die Datenanalysten sind nicht die einzigen, die durch effiziente und ausgesprochen schnelle Algorithmen ersetzt werden. Denken Sie an den elektronischen Handel, der es möglich macht, von einem einzigen Handelszentrum aus auf alle wichtigen Börsen der Welt virtuell zugreifen zu können. Die Anzahl der Börsenhändler ist massiv zurück gegangen. Sie werden schlicht nicht mehr in der großen Zahl benötigt. Denn viele Aufträge laufen vollautomatisch durch die Systeme und finden ihre Gegenseite im transparenten und automatisierten Matching Algorithmus der Börse.

Indexberechnung, Trading Entscheidungen und passive Fonds

Selbst Bereiche wie Indexmanagement und Fondsmanagement werden zunehmend automatisiert und roboterisiert. Indices werden heute zu tausenden vollautomatisch in Echtzeit von leistungsstarken Computern berechnet. Asset Manager, die ausschließlich passive Indexfonds anbieten, haben kaum noch Mitarbeiter. Die Anpassung der Portfolien und deren Verwaltung geschieht weitgehend automatisch. Selbst Trading Entscheidungen werden mehr und mehr Algorithmen überlassen, die binnen Nano-Sekunden Daten und Trends analysieren. Und all das sind nur einige Beispiele.

Einschneidende Veränderungen

Die Automatisierung und Roboterisierung wird auch vor der Finanzwelt nicht halt machen. Die klassischen Finanz- oder Versicherungsmakler könnten bald durch Roboter ersetzt werden, denen es möglich ist, binnen weniger Sekunden tausende mögliche Produkte und Varianten zu vergleichen und gegen die Bedürfnisse des Kunden abzugleichen. Algorithmen werden die Vermögensverwaltung übernehmen, selbstständig Handeln, die Abwicklung durchführen und Analysen erstellen. Über die Blockchain werden die Transaktionen dokumentiert und sicher und effizient verwaltet.

Wie genau die Zukunft aussehen wird, und wie schnell die jeweiligen Entwicklungen voran schreiten, weiß niemand zu sagen. Tatsache ist, dass sich der gesamte Service Sektor einschließlich der Finanzwelt dramatisch wandeln wird. Das betrifft Bankangestellte ebenso wie Beamte und Verkäufer.

Rationalisiert sich der Mensch selbst weg?

Wir Menschen leben länger. Gleichzeitig rationalisieren wir uns in vielen Bereichen selbst weg. Aktuell betrifft das noch vielfach ungelernte Arbeiter und die Produktion, aber nach und nach greift die Automatisierung auch auf den Service Sektor über. Wird es künftig nur noch Arbeit für einige, wenige Programmierer geben, oder werden selbst Codes bald nur noch von lernenden Algorithmen geschrieben werden?

Mehr Effizienz und Transparenz?

Wie genau die Zukunft aussehen wird, das wissen wir nicht. Für die Finanzwelt wird sie hoffentlich nicht nur Jobverluste, sondern vor allem auch mehr Effizienz bringen sowie transparentere, gerechtere und günstigere Transaktionen. Darauf vorbereitet zu sein und den aktuellen Entwicklungen möglichst nah zu folgen, wird Unternehmen wie Banken, Versicherungen und Asset Managern helfen, auch weiterhin trotz massiver Veränderungen im Geschäft zu bleiben.