Das Geschäft von Banken kann sehr lukrativ sein. Doch es unterliegt gewissen Risiken. Und geraten Banken in Not, so ziehen sie – je nach Größe – eine lange Reihe anderer, vom Unternehmen zum Privatmann, von der Kommune bis hin zu ganzen Staaten mit in den Abgrund. Da ist es nur verständlich, wenn der Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörde daran interessiert sind, das Geschäft der Banken in halbwegs sichere Bahnen zu lenken. Das geschieht unter anderem mit Vorschriften zum Eigenkapital.

Eigenkapital, das ist – etwas vereinfacht betrachtet – jenes Vermögen, das den Eigentümern, also Aktionären, Gesellschaftern oder Genossenschaftsanteilhaber zugerechnet wird. Im Fall des Falles sollte die Notlage idealerweise nur die Eigentümer treffen. Schließlich treffen sie die geschäftlichen Entscheidungen, legen in ihren Hauptversammlungen und Gesellschaftssitzungen die allgemeine Linie fest, und bestimmen, in welchen Geschäftsbereichen ihre Bank wo und in welchem Umfang welche Arten von Risiken eingehen soll. Die Eigenkapitaldecke sollte also je nach Art und Umfang der Geschäfte ausreichen, um die wahrscheinlichsten Verluste, die dabei entstehen können, abzufangen.

Der Gesetzgeber legt hier nach Empfehlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht schon seit vielen Jahren gewisse Mindestanforderungen fest. Im Zuge von BASEL III wurden diese nochmals erhöht und laufen unter anderem unter so netten Abkürzungen wie LCR („liquidity coverage ratio“) und NSFR („net stable funding ratio“).

Doch Eigenkapital vorzuhalten, das ist für die Banken teuer, und wenn das eigene Vermögen erst verplant ist, dann entgehen der Bank und ihren Managern lukrative Geschäftsmöglichkeiten und damit Gewinn und der Jahresendbonus. Da verwundert es nicht sonderlich, dass Bankmanager gerne und sorgfältig nach Möglichkeiten suchen, wie man Geschäfte so machen kann, dass sie entweder gar nicht als riskante Bereiche aufpoppen, für die eigenes Vermögen vorgehalten werden muss, oder zumindest nur in geringerem Umfang. Dieses Phänomen, das keinesfalls neu ist und eine Vielzahl an kleineren und größeren legalen und halb legalen Tricks und Kniffe umfasst, wird unter dem Sammelbegriff regulatorische Arbitrage geführt.

Eine seit Jahren sehr beliebte Methode der regulatorischen Arbitrage war die bisher unterschiedliche Behandlung von Handelsbuch und Anlagebuch einer Bank. Im Handelsbuch werden – so denkt die Aufsichtsbehörde – vorübergehende Positionen geführt, die schnell mal rein und mal raus gehandelt werden, ziemlich liquide sind und im Zweifelsfall auch schnell wieder verkauft werden können. Im Bankbuch hingegen, da sollten die langfristigen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten schlummern, also jene Dinge, die den tatsächlichen Wert der Bank ausmachen und auch ihr Risiko bestimmen. Deshalb sollte genau dieses Bankbuch mit ordentlich Eigenkapital unterlegt sein. Das Handelsbuch hingegen, so die bisherigen Regelungen, darf mehr Geschäfte mit weniger Kapital abwickeln.

Mit dieser ungleichen Risikobewertung war natürlich der willkürlichen Zuteilung gewisser Geschäfte Tür und Tor geöffnet. Die Handelsbücher schwollen an, und die Bankbücher wurden fortan möglichst schmal gehalten. Alles konnte selbstverständlich nicht umgewidmet werden. Langfristige Großkredite passen nun mal nicht ins Handelsbuch. Doch bei manch anderen Geschäften ist die Sache nicht ganz so klar. Denn Kreditrisiko kann nicht nur über die direkte Kreditvergabe generiert werden, sondern auch synthetisch über Derivate. Letztere werden aber dem Handelsbuch zugerechnet. Ebenso beliebt ist es, Kredite zu verbriefen und die entstandenen Wertpapiere dem Handelsbuch zuzurechnen.

Dieser Zustand ist den Aufsichtsbehörden verständlicherweise seit vielen Jahren ein Dorn im Auge. Denn bei der sogenannten Handelsbuch Arbitrage handelt es sich nicht nur um eine kleine Lücke in der Regulierung, sondern einen riesigen Canyon, der sich aufgetan hat und rege genutzt wird. Deshalb wird vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht bereits seit geraumer Zeit daran gearbeitet, diese Handelsbuch Arbitrage zu unterbinden. Unter dem Begriff BASEL III und FRTB („Fundamental Review of the Trading Book“) sollen nun diverse Verbindlichkeiten im Handelsbuch mit ähnlich vielen, eigenen Vermögenswerten unterlegt werden, wie bereits im Bankbuch. Die ersten Entwürfe dazu gab es bereits im Jahr 2013. Doch bekanntlich mahlen die Mühlen der internationalen Finanzaufsicht nicht immer besonders schnell, und bis zum Inkrafttreten der neuen Vorschriften ist nun bereits viel Zeit verstrichen. In Kraft treten soll die neue Richtlinie Ende 2019, mit diversen Übergangszeiträumen und schrittweisen Verschärfungen.

Die FRTB Richtlinie wird eine große Lücke zur regulatorischen Arbitrage zunächst schließen. Doch die Finanzbranche ist kreativ, und Geld ist dabei ein wenig wie Wasser: Es bahnt sich seinen Weg. Es findet jede undichte Lücke. Dabei hat es eine unglaubliche Kraft und Eigendynamik. Und aus einer kleinen, undichten Stelle kann im Nu ein brechender Damm werden. Die nächsten Weiterentwicklungen, wie Banken ihr Kapital möglichst gewinnbringend zu potenzieren suchen, werden deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen.