Börse oder außerbörsliche Geschäfte: Ein Future-Kontrakt anstelle eines Zinsswaps?

Zinsswaps gehören seit vielen Jahrzehnten zu den am häufigsten gehandelten Derivaten weltweit. Zusammen mit ihren Cousins, den Währungsderivaten, sind Zinsderivate mit die wichtigsten Derivate, die im Risikomanagement von Banken, Unternehmen und Staaten zum Einsatz kommen. Entsprechend liquide ist der Markt, und entsprechend standardisiert und etabliert sind die Geschäfte.

Ein Stück vom Kuchen für die Börsen?

Der Markt allein für Zinsderivate ist gigantisch. Glaubt man der Statistik der International Swaps and Derivatives Association (ISDA), so war per 9. März 2018 die gigantische Anzahl von 6.040.162 Geschäften mit einem Nominalbetrag von 630.868.602.855.937,00 USD ausstehend. Zugegeben, wie alle wissen hat der Nominalbetrag bei Zinsderivaten nur eine begrenzte Aussagekraft, da er nicht viel über das Risiko der Geschäfte sagt. Doch allein die Anzahl der Geschäfte bestätigt, dass der Markt gigantisch ist. Und da für jedes einzelne Geschäft irgendwo für irgendwen Gebühren und Provisionen anfallen, würden von diesem Kuchen selbstverständlich auch internationale Derivatebörsen gerne mit naschen.

Die Idee von Swap Futures erlebte 2007-2009 eine Blüte

Im Zuge der Finanzmarktkrise erlebte die Idee von Swap Futures eine wahre Blütezeit. Aus diesen Jahren stammen tatsächlich auch die meisten Produkte, die auch heute noch an einigen Terminmarktbörsen gehandelt werden. Hauptgrund für das plötzliche Interesse vor allem großer Banken und Broker war das damals weggebrochene Vertrauen ineinander. Im Zuge der Pleite von Lehman und der Schieflage vieler anderer selbst großer Investmentbanken war das Thema Kontrahentenrisiko mit einem Mal der zentrale Fokus von Risikomanagern, Vorständen und selbstverständlich auch der Regulatoren. Damals, noch lange vor Dodd-Frank und Basel III und ohne zentrales Clearing von OTC Derivaten, konnte es im Fall des Falles schwer werden oder zumindest lange dauern, an den Barwert seines Swaps zu kommen, selbst wenn dieser durch Collateral besichert war. Ein börsengehandelter Future Kontrakt mit zentralem Clearing, völlig ohne Kontrahentenrisiko, erschien zumindest nicht unattraktiv.

Swap Futures: Standardisiert und doch sehr verschieden

Futures sind standardisierte und über die Börse gehandelte Termingeschäfte auf einen bestimmten Basiswert. Die einfachsten Futures gibt es auf Rohstoffe oder relativ einfache Produkte wie Edelmetalle, Währungen und Gold. Etwas komplizierter wird die Sache bereits bei Aktienfutures, und nochmals komplizierter bei Bondfutures. Doch im Vergleich zum Versuch, Futures auf Zinsswaps und Credit Default Swaps zu entwerfen, sind die bisherigen Futures allesamt leicht verständlich. Doch ein Zinsswap, so einfach er auf den ersten Blick wirkt, ist in Wahrheit ein dermaßen komplexes Konstrukt unterschiedlicher Zahlungsströme, Zins- und Basiskurven, dass zur korrekten Bewertung ein normales Excel-Spreadsheet nicht ausreicht. Hierauf einen Future zu entwerfen, ist wahrlich keine einfache Angelegenheit.

Diaspora der Produkte. Wer blickt noch durch?

Entsprechend unterschiedlich sind die Herangehensweisen der verschiedenen Börsen, die heute Swap Futures anbieten.

Die CME Group beispielsweise bietet Swap Futures an, die jeweils drei Monate in der Zukunft starten (März, Juni, September oder Dezember) und bei Verfall physisch als Swap gesettelt werden. Angeboten werden in US-Dollar 2, 5, 7, 10, 20 und 30 Jahre, sowie in Euro noch auf einen 2-Jahres-Swap. Der Preis beginnt bei 100 und ändert sich während der drei Monate entsprechend. Im März 2018 ist beispielsweise der Juni 2018 Kontrakt aktiv.

Als nächster Anbieter ist die US-amerikanische Eris Exchange am Start, die sich in ihren Produkten auf das von ihr entwickelte Eris Modell stützt. Die Methode kann angeblich die Konvexität von Zinsswaps im Future nachbilden. Die Futures sind Cash gesettelt, und die Laufzeiten der Kontrakte sind analog zum jeweiligen Basiswert gewählt (also fünf Jahre für einen Future auf einen 5-jährigen Zinsswap). Sie verwenden die IMM Dates und werden über die CME gecleared und täglich ausgeglichen.

Die Intercontinental Exchange (ICE) bietet ebenfalls ERIS Interest Rate Futures an, in Euro und in Sterling, auf die Laufzeiten 2, 3, 5, 7, 10, 20 und 30 Jahre. Diese werden – wie in diesen Währungen üblich – cash gesettelt. Die Futures basieren auf vorgegebenen Fixed Rates zwischen -1% und +10%, die während des gesamten Lebens des Kontrakts unverändert bleiben. Die Futures-Laufzeiten sind anhand der Laufzeit des Basiswertes gewählt, also für einen Future auf einen 5-Jahres-Swap beträgt die Kontraktlaufzeit fünf Jahre. Allerdings gibt es immer nur zwei aktive „Front“-Kontrakte. Mitte März 2018 wären das beispielsweise für den Eris GBP 5Y 1% der März 2023 sowie der Juni 2023. Alle anderen Kontrakte sind „gealtert“ (Engl. „aged contracts“).

Es gibt daneben noch weitere Anbieter, wie die Austrialian Securities Exchange, die Swap Futures in Australischen Dollar für Swap-Laufzeiten von 3, 5 und 10 Jahren anbietet, ziemlich ähnlich zum Produkt der CME Group. Eurex, Montreal Exchange, Johannesburg Stock Exchange und noch einige weitere versuchen sich ebenfalls mit unterschiedlichen Zinsswap Futures.

Futures hatten schon immer Vor- und Nachteile

Futures haben ihre Vor- und Nachteile. Der größte Vorteil gegenüber außerbörslichen, individualisierten Geschäften wie Forwards oder Swaps besteht im Wegfall des Kontrahentenrisikos, da die Börse mit ihrem Clearinghouse die Abwicklung sowie die Verwaltung der zu hinterlegenden Sicherheiten übernimmt. Zudem können Futures gehandelt werden, also auch während der Laufzeit wieder glattgestellt, aufgestockt oder verringert werden, ohne auf den Goodwill der Gegenpartei angewiesen zu sein. Das alles ist durch die Standardisierung der Kontrakte – alle Kontrakte sehen immer genau gleich aus – und die damit verbundene Liquidität möglich. Zudem gibt es bei Futures transparente, verfügbare Preise, eine tägliche Wertstellung, Börsenkurse sind als Bewertungen immer überall akzeptiert und gerne gesehen, und zudem handelt man ausschließlich gegen die Börse, die ein verlässlicher und unparteiischer Partner ist. Die Transaktionskosten sind bekannt und überschaubar, man erspart sich eine Menge an Verträgen und möglichen Ärger mit einer Vielzahl an Gegenparteien. Also alles wunderbar? Doch so leicht ist es leider nicht.

Einer der Vorteile von Futures, ihre Standardisierung, ist dabei gleichzeitig ihr größter Nachteil. Denn alles ist vorgegeben. Die Laufzeiten, der Basiswert, die Kontraktgröße, die Art des Settlements, die Handelszeiten, und so weiter und so fort. Will jemand ein bestimmtes Grundgeschäft absichern, wird der Future Kontrakt nie exakt dazu passen. Man muss in diesem Fall den nächstbesten Kontrakt auswählen. Das bedeutet man endet mit einem Proxy Hedge oder gar einem Cross Hedge, muss immer wieder adjustieren, denn mit der Zeit passt der Hedge immer weniger zum Grundgeschäft, die Risikokennzahlen laufen auseinander, und irgendwann muss der Future denn auch gerollt werden. Gerade bei bewertungsmäßig so komplexen Produkten wie Swaps ist das nicht ideal.

Swap Futures sind keine Selbstläufer

Gerade im Zinsswapmarkt sind Futures keine Selbstläufer für Börsen. Der außerbörsliche Markt für Zinsderivate ist groß und liquide. Die Preise sind transparent und verfügbar, und selbst die Dokumentationen, Verträge und Besicherungsvereinbarungen sind dank ISDA und Deutschem Rahmenvertrag seit Jahrzehnten so standardisiert und etabliert, dass viele Marktteilnehmer wenig Nachteile im direkten Geschäftspartnerkontakt sehen. Seit zwingendes, zentrales Clearing für OTC Swaps hinzugekommen ist, und weit über 90% aller Swaps ohnedies zentral abgewickelt werden, fällt sogar dieser Vorteil einer Börse weg. Terminbörsen werben zwar damit, dass die Sicherheiten, die für Futures zu stellen sind, weniger sind als im OTC Clearing (die Börse verwendet 2-Tage-Value-at-Risk, im OTC Bereich sind es 5-Tage-VaR), aber gänzlich überzeugt hat das die Marktteilnehmer nicht.

Das Open Interest lässt zu wünschen übrig

Betrachtet man das Open Interest, also alle ausstehenden Kontrakte, ist das aus Börsensicht ziemlich ernüchternd. Sowieso sind nur manche der angebotenen Laufzeiten überhaupt interessant für Händler, und selbst die liquidesten Kontrakte verblassen im Vergleich zum OTC Markt. An der CME beispielsweise sind nur die USD Kontrakte auf den 5-jährigen sowie auf den 10-jährigen Swap einigermaßen liquide, mit gerade einmal 30.000 und 36.000 ausstehenden Kontrakten. Im Vergleich zum 5-jährigen Treasury-Note Future mit seinen 3,4 Millionen Kontrakten im Open Interest sind die Swap-Futures ein Zwerg.

Für Endnutzer zu standardisiert

Für den klassischen Endnutzer von Zinsderivaten, also das Unternehmen, die Kommune, den Kreditnehmer, sind Swap Futures meist nicht interessant. Erstens sind sie komplizierter als der klassische Swap, aber vor allem die Standardisierung macht Probleme. Viele Kredite sind amortisierend, das heißt ihr Nominalbetrag ändert sich manchmal sogar monatlich, und häufig in unterschiedlichen Beträgen. Ein unregelmäßig abnehmender Nominalbetrag lässt sich im Future schlicht nicht sauber nachbilden. Aber auch die Zahlungsdaten sind ein Problem. Swap Futures basieren auf IMM Dates. Dem Unternehmen entsteht somit ein Cashflow Mismatch. Denkt man noch an die vielen Zusatzklauseln, Kündigungsrechte, Feiertagsregelungen und Day-Counts, wird die Sache mit dem 1:1 Hedge über Swap Futures noch unpraktischer.

Makro-Hedges auf Delta-Basis

Bleiben als Anwender also die großen Institutitonellen übrig, die ihre großen Portfolien nicht mit 1:1 Hedges absichern, sondern sogenannte Makro-Hedges verwenden. Sie kaufen und verkaufen ihre Derivate zur Absicherung nicht wegen der Cashflows, sondern auf Basis von Risikokennzahlen. Beliebt sind etwa Delta-Hedges.

Bond-Futures für den Delta-Hedge sind etabliert und ausreichend

Um das Delta eines Portfolios auszugleichen, gibt es bereits seit langer, langer Zeit Bond-Futures wie in Deutschland den Bund, den Bobl und den Schatz, oder in den USA die T-Bond Futures. Diese sind liquide, etabliert, in alle Systeme integriert und von den Händlern gut verstanden. Auf Swap Futures haben die großen Institutionellen also nicht gewartet, und seitdem das Argument des Kontrahentenrisikos durch zentrales Clearing behoben wurde, ist auch der Druck nicht mehr vorhanden, Swap Futures in die hoch komplexen, verschachtelten und ohnedies meist viel zu schwerfälligen IT-Infrastrukturen großer Banken, Broker, Asset Manager und Versicherungen zu integrieren. Wer einmal einen Produkteinführungsprozess begleitet hat, samt sündhaft teurem IT-Projekt, wird die Finger von neuen Produkten lassen, wenn es dafür bereits Alternativen gibt.

Swap Futures haben Vorteile. Sie sind trotzdem nicht beliebt.

Swap Futures haben wie alle börsengehandelten Terminkontrakte ihre Vorteile. Man ist unabhängig, der Handel kann anonym erfolgen, und auch die Transaktionskosten und laufenden Kosten sind meist niedriger als im außerbörslichen Markt. Bei Änderungen und Anpassungen ist man bei Futures nicht auf den Handelspartner angewiesen und muss sich nicht mit margenhungrigen Salesleuten herumschlagen. Dennoch: Swap Futures sind schlicht nicht beliebt. Die Konstruktion ist zu sperrig und kompliziert, und als 1:1 Absicherung taugen sie selten. Für Delta-Hedges gibt es schon Bond-Futures.

Die Swap Future Märkte und die OTC Swap Märkte scheinen zudem ihr jeweils eigenes Leben zu führen, denn die impliziten Swap Preise der Futures sind stets einige Basispunkte weit entfernt von den OTC Swap Raten. Auch das macht es schwierig, die beiden als Substitute füreinander zu nutzen. Ob sich ihre Beliebtheit irgendwann erhöhen wird und damit das Volumen? Die Swaphändler, mit denen ich darüber gesprochen habe, sind jedenfalls skeptisch.