BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Experten für Swaps, Derivate, Optionen und strukturierte InvestmentsDie negative Zinswelt stellt nicht nur Swaps und Derivate auf den Kopf, sondern auch ganz normale Anleihen und Kredite. Denn variabel verzinste Bonds und Darlehen, die sich etwa auf den 3-Monats-Euribor beziehen, stehen vor einer Herausforderung. Noch extremer ist es bei Investments und Krediten in Schweizer Franken. Muss der Investor der Anleihe nun an die Emittentin Zinsen bezahlen? Oder bezahlt die Bank nun dem Kreditnehmer Geld dafür, dass sich dieser Geld geliehen hat?

In der Welt von Inflationsswaps und Inflationsbonds waren sich die Marktteilnehmer der Möglichkeit negativer Kupons übrigens schon lange bewusst. Zinsen von unter Null wurden vor zehn Jahren zum Beispiel noch nicht für möglich gehalten, wohl aber die Gefahr einer Deflation und damit negativer Inflationskupons. Deshalb wurde bereits vor vielen Jahren damit begonnen, in Inflationsbonds und die dazugehörigen Inflationsswaps explizit Zinsuntergrenzen von Null einzubauen. Diese wurden auch preislich entsprechend berücksichtigt, mal mehr und mal weniger korrekt. Im Markt ranken sich etwa abenteuerliche Geschichten über japanische Derivatehändler, die massenweise Inflationsfloors verkauft hatten, und hinterher feststellen mussten, dass sie diese viel zu günstig angeboten und ihre Karriere damit runiert hatten. Japan war das erste Land, das sich mit Deflation befassen musste und seine Finanzprodukte entsprechend ausgestaltete.

In der Zinswelt ist die Erkenntnis, dass ein Kuponfloor von Null bei einem Floater oder einem Darlehen enormen Wert besitzt und überaus wichtig werden kann, erst sehr spät angekommen. Ein Abdriften der Zinsen in den negativen Bereich war bis vor wenigen Jahren unvorstellbar, und auch Zinsen um die Null Prozent über weite Strecken der Zinskurve wurden nicht für möglich gehalten. Heute liegen die Swaplaufzeiten bis inklusive 10 Jahre unter einem Prozent.

Das hat Auswirkungen auf Anleihen, Swaps und Kredite, die einen variablen Kupon beziehungsweise eine variable Kreditrate beeinhalten. Eine Anleihe eines guten Emittenten etwa, die 3-Monats-Euribor minus 5 Basispunkte (-0,05%) bezahlt, hätte heute einen negativen Kupon. Der Investor müsste also der Emittentin Geld überweisen, anstatt quartalsweise Zinsen zu bekommen, sofern kein expliziter Zinsfloor als Untergrenze in der Anleihe vorgesehen ist. Bei älteren Anleihen ist dies in der Regel nicht der Fall. Aktuell auf den Markt gebrachte Emissionen sehen die Zinsuntergrenze von Null vor, aber was ist mit älteren Bonds? Wie wird hier verfahren?

Eine Zinsumkehr ist rein abwicklungstechnisch derzeit bei Anleihen nicht vorgesehen und möglich. Es gäbe allerdings die Möglichkeit, etwa den Nominalbetrag der Anleihe entsprechend zu kürzen. Das Recht steht hier wohl auf Seite der Emittenten. Der Investor erhielte dann am Ende der Laufzeit nicht mehr die zuvor vereinbarten 100% des Nominalbetrags zurück, sondern eben nur noch 99,70% oder eben genau den um die negativen Zinsen reduzierten Betrag. Das wäre nicht nur unerfreulich für die Investoren, sondern auch steuerrechtlich ein interessanter Fall.

Derzeit wird es allerdings von allen Emittenten so gehandhabt, dass eine Zinsuntergrenze von Null in den Anleihen impliziert wird. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Emittenten ihre Investoren nicht vergraulen wollen. Denn die meisten Anleihen, die auslaufen, werden durch neue Emissionen ersetzt. Für das Funktionieren dieser fortlaufenden Refinanzierung sind treue Investoren für jeden großen Emittenten ein wichtiger Faktor.

Etwas anders sieht es bei Krediten aus. Hier legen die Institute häufig andere Maßstäbe an. Zwar sind Kredite meist mit einem entsprechend hohen Aufschlag versehen, etwa 3-Monats-Euribor plus 1%, der in der Regel den Zins noch im positiven Bereich hält. Einige Banken und Sparkassen sträuben sich allerdings, sogar den negativen 3-Monats-Euribor an die Kunden weiterzugeben. Sie ziehen einfach implizit eine Zinsuntergrenze für den Euribor ein. Hier wird es wohl in Zukunft einige gerichtliche Auseinandersetzungen geben.

In der Schweiz sind die Zinsen übringens nochmals deutlich negativer als im Euro. Dort hilft auch ein Aufschlag auf den CHF Libor häufig nicht mehr, um die Kreditrate für die Bank im positiven Bereich zu lassen. In der Schweiz haben Kreditnehmer derzeit tatsächlich das Glück, dass sich bei vielen Krediten der Betrag, der geschuldet wird, stetig reduziert, ohne dass auf den Kredit derzeit Zinsen gezahlt werden müssen. Das gilt übrigens meist nur für Alterverträge. Neue Kredite werden, ähnlich wie neu begebene Anleihen, in der Regel mit einer Klausel zur Zinsuntergrenze vergeben. Die Bankenwelt hat dazugelernt.