Martina Bahl bei BahlConsult GmbH: Ihre Expertin für die unabhängige Analyse und Bewertung von Swaps, Derivaten und strukturierten ProduktenDas Phänomen der Home Bias an den Kapitalmärkten ist bereits seit Jahrzehnten bekannt und gut dokumentiert. Es bezeichnet die Vorliebe von Investoren für ihren Heimatmarkt und ihnen bekannte Unternehmen bei ihren Investitionen.

Bisher allerdings beschäftigte sich diese Theorie vor allem mit Aktieninvestments und Privatinvestoren. Eine gänzlich neue Seite der Home Bias zeigt uns das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung seit mehreren Jahren immer wieder auf. Die Forscher des DIW kritisieren die Home Bias heute vor allem bei Banken im EU Raum und ihren Staatsanleihenportfolien. Denn EU-weit investieren Banken zunehmend höhere Anteile in Staatsanleihen genau jenes Staates, in dem die Banken ansässig sind. Das ist nicht nur sehr widersprüchlich zum gängigen Portfoliogrundsatz der Risikostreuung, sondern doppelt riskant in volkswirtschaftlicher Sicht.

Die Home Bias bei Banken in der Europäischen Union begann während der Finanzkrise von 2008. Ein gutes Beispiel ist Irland. Hatten irische Banken kurz vor der Krise keine 20% an irischen Staatsanleihen in ihrem Staatsanleihenportfolio, so stieg der Anteil der irischen Anleihen 2011 auf kanpp 60% und macht heute bereits über 75% aus. Ähnlich verhalten sich Banken in vielen anderen EU-Staaten. An der Spitze stehen Polen und Ungarn, gefolgt von so gut wie allen EU-Ländern des Mittelmeerraumes. Dort halten die Banken mittlerweile fast ausschließlich inländische Staatsanleihen in ihren Portfolien.

Banken sind für Staaten mit die wichtigsten Käufer von Staatsanleihen geworden. Das liegt heute vor allem auch an den Regelungen von Basel III, einer Regulierung, die Banken eigentlich sicherer machen sollte. Basel III regelt unter anderem auch die Eigenkapitalanforderungen an Banken und schreibt vor, dass Banken ihre Geschäfte grundsätzlich mit Eigenkapital unterlegen müssen. Für jeden Kredit, den die Bank vergibt und jede Investition, die eine Bank tätigt, muss Eigenkapital zur Seite gelegt werden. Das ist sehr teuer. Bei Investitionen in Staatsanleihen des eigenen Zentralstaates und in EU-Staatsanleihen gilt das allerdings nicht, sofern sie auf die jeweilige Landeswährung lauten. Sie werden als völlig risikolos eingestuft und benötigen somit keine Unterlegung. Außerdem schreibt Basel III vor, dass Banken einen kurzfristigen Liquiditätspuffer haben müssen, mit dem sie sich über 30 Tage hinweg finanzieren können. Staatsanleihen sind auch hier das Investment der Wahl. Der Anteil von Staatsanleihen in den Portfolien der Banken wächst damit immer weiter.

Den Staaten der EU kommt diese Bevorzugung ihrer eigenen Anleihen übrigens sehr gelegen, denn alle benötigen dringend Geld. Und so haben sie auch überhaupt kein Interesse, die Regelungen in den Baseler Verträgen zu ändern. Dabei hat diese Bevorzugung von Staatsanleihen und hier die Konzentration von inländischen Papieren auch dramatische Auswirkungen auf die Funktionsweise des gesamten Bankensystems. Denn durch dieses System der Risikogewichtung und der Eigenkapitalunterlegung kaufen Banken heute viel lieber Staatsanleihen, anstatt normale Kredite an Unternehmen und für Projekte zu vergeben. Zudem ist durch die enorme Konzentration von inländischen Staatsanleihen in den Portfolien der Banken auch das wechselseitige Risiko für Banken und Staaten gestiegen. Denn die Krise des einen Sektors kann bei zu enger Verflechtung den anderen Sektor nur zu leicht mit in den Abgrund reissen. Das Phänomen der Home Bias, so alt es ist, ist offensichtlich in der EU heute aktueller denn je.