Anleihen mit inversen Kupons

Sie sehen auf den ersten Blick schön aus: Anleihen mit inversen Zinskupons. Sie zahlen einen hohen Fixkupon abzüglich eines variablen Faktors. Noch vor zehn Jahren war das traditionell ein anderer Zins wie der CMS (Constant Maturity Swap) oder gar ein CMS-Spread, also der Unterschied zwischen einem lang laufenden Swapsatz und einem kürzeren Swapsatz. Heute sind es häufig Anleihen mit inversen Volatilitätskupons. Der variable Faktor kann aber grundsätzlich so ziemlich alles sein, also neben einem Zinssatz auch die Inflation, eine Volatilität, die Wertentwicklung eines Aktienindex, und so weiter. Darstellen lässt sich alles, worauf es Optionen im Finanzmarkt gibt.

Ganz praktisch liest sich das dann in etwa so: Die Anleihe zahlt über die Laufzeit jährlich einen Kupon von 6% abzüglich dem zweifachen der Inflation gemessen mit dem HICP ex Tabak, mindestens aber 0% (damit der Kupon nicht im Zweifelsfall negativ werden kann, denn man hat aus der Vergangenheit gelernt).

Der Investor geht short

Der inverse Anteil in diesen Anleihen nicht nichts anderes als eine Short Position auf einen Zins, die Volatilität, die Inflation oder sonst einen Index. Man sagt auch der Investor „geht short“. Der Anleger setzt also auf fallende Kurse oder zumindest darauf, dass alles so niedrig bleibt, wie es im jeweiligen Moment gerade ist.

Investoren wollen hohe Renditen

Es liegt in der Natur der Sache, dass Investoren lieber hohe Renditen wollen anstatt niedriger. Ist ein Faktor gerade auf einem eher niedrigen Niveau – man denke in den letzten zehn Jahren an Dinge wie Inflation, Zinsen und Volatilität – so lässt sich mit einem reinen „long“ Investment kein attraktives Produkt gestalten. Welcher Anleger würde schon eine Anleihe kaufen, die über die nächsten fünf Jahre einen Kupon von möglicherweise Null bezahlt? Eine Anleihe, die ihre Zinszahlungen an die Inflation, an einen Zinssatz oder die Volatilität in Form eines „Longs“ koppelt (z.B. Kupon in Höhe der Inflation, in Höhe des 10-Jahres-Euro-Swaps, etc), würde erst dann deutlich profitieren, wenn eben dieser Wert deutlich ansteigt. Dass die Parameter irgendwann wieder höher werden, ist zwar wahrscheinlich, aber garantieren kann das niemand, und wann und wie hoch der Anstieg sein wird, weiß auch keiner.

Investoren investieren nicht in niedrige Renditen

Wenn sie nicht unbedingt müssen, weil es etwa die Anlagevorschriften zwingend vorgeben, investieren Anleger tendenziell also nicht in niedrige Renditen. Schon gar nicht in strukturierte und deshalb schwerer verständliche, exotische Anleihen. Deren Laufzeiten sind zudem in der Regel eher kurz und betragen zwischen drei und sieben Jahren, manchmal auch zehn. Da ist es aus Anlegersicht verständlich, wenn man sich nicht mit einem lächerlich niedrigen Anfangskupon zufrieden gibt. Denn wer weiß wie lange es dauert, bis sich der referenzierte Wert wieder erholt? Entsprechend verzichten die Produktanbieter auf das Strukturieren klassischer, variabler „long“ Anleihen in solchen Fällen.

Banken verdienen gut an strukturierten Anleihen

Für Investmentbanken ist das eine dumme Situation, denn es sind gerade die strukturierten, exotischen Anleihen, an denen sie gut verdienen. Da ist schon mal der Fundingspread niedriger, also die Risikokompensation, die der Investor für die Übernahme des reinen Emittentenrisikos erhält. Zusätzlich fallen die Margen deutlich höher aus, wohlgemerkt sehr deutlich höher, als bei einfachen „Plain Vanilla“ Anleihen. Der Bonus der Banker bemisst sich bekanntlich an den vereinnahmten Margen. Da ist es nur verständlich, wenn die Banker ihren Kunden mit Vorliebe komplexe, strukturierte Anleihen oder Swaps verkaufen. Was also tun aus Bankersicht, wenn die Renditen auf das betreute Produkt gerade im Keller sind? Es gilt also, ein strukturiertes Produkt zu ersinnen, das trotzdem attraktiv aussieht und gekauft wird.

Inverse Kupons locken Anleger

Inverse Kupons sind in dieser Situation nicht selten die Antwort der Anbieter. Anstatt des einfachen „long“ Kupons in Form einer Partizipation an der Wertentwicklung des jeweiligen Index oder Faktors wird die Umkehrfunktion strukturiert. Aus long wird short. Die relativ einfachste Lösung ist es, die short Option von einem fixen Kupon abzuziehen. Der Investor erhält einen hohen Zins, abzüglich des Wertes eines bestimmten Parameters wie Inflation, Volatilität, eines Zinses oder der Wertentwicklung eines beliebigen Index. Hebelt man den inversen Teil, zieht also das Zwei- oder Vielfache des Index oder Wertes ab, wird der voran stehende Fixzins schnell dramatisch höher. Und ein hoher Zinssatz ist immer ein Blickfang und lockt Investoren.

In der Ausgestaltung der Details gibt es noch weitere Möglichkeiten, den Anfangskupon schön aussehen zu lassen. Kündigungsrechte, Floors und Caps sowie Step-up und Step-down Kupons sind nur einige der Zusatzelemente, die verwendet werden können, um aus Anlegersicht noch mehr Optionen zu verkaufen und durch die Prämien den Fixkupon zu erhöhen. Dabei gilt zusätzlich die Faustregel: Mehr Optionen, mehr Einnahmen für die Bank.

Inverse Kupons können schnell auf Null sinken

Doch Anleihen mit inversen Kupons sind nicht ohne Risiko. Der hohe Fixzins, der voran steht, ist unter Umständen schnell aufgezehrt. Denn steigt der Parameter an, reduziert sich der Kupon immer mehr. Bei gehebelten Anleihen, die gleich ein Vielfaches des Parameters abziehen, passiert diese Entwicklung umso schneller. Denn der Investor setzt bei inversen Anleihen auf weiterhin niedrige Werte im referenzierten Index oder Parameter. Steigt dieser an, sieht es schlecht aus für den Investor. Wenn er Glück hat, ist nur der Kupon selbst an den nun steigenden Index gekoppelt, und im unglücklicheren Fall auch die Rückzahlung. Das Risiko des Shorts wird tatsächlich häufig unterschätzt.

Inverse Anleihen mit Vorsicht genießen

Wie bei jedem Finanzprodukt sollten auch Investitionen in Anleihen mit inversen Kupons zunächst gut durchdacht werden. Inverse Kupons können interessant sein für jemanden, der auf weiterhin niedrige oder sogar sinkende Parameter spekuliert. Doch dabei dürfen auch die Verlustrisiken nicht aus den Augen verloren werden, und vor allem darf man sich von den hohen, optisch schönen Zinsen, die dem inversen Teil voran gestellt sind, nicht blenden lassen. Zuletzt sollte sich jeder Anleger auch die Frage stellen, wer mehr von einem bestimmten Produkt profitiert: Er oder die Bank?